Samstag, 30. August 2008

Gewiß bei Nacht, die Frage nur: wohin?

Sure 17: Die Nachtfahrt

Preis dem, der bei Nacht seinen Diener von der heiligen Moschee zu der fernen Moschee, deren Umgebung wir gesegnet haben, hinführte, auf daß wir ihm einige unserer Zeichen zeigten. Siehe, er ist der Hörende, der Schauende.

Und wir gaben Moses die Schrift [...]

(Vers 1 und der Anfang von Vers 2)

An den Folgen der in dieser Sure geschilderten nächtlichen Reise haben die Menschen bis heute zu tragen. Durch diese Reise wird der Anspruch auf Jerusalem als auf einen heiligen Ort des Islam begründet. Bekanntlich kreuzt er sich mit den Ansprüchen der Juden und Christen und führt in Jerusalem offenbar auf ewig zu Spannungen*.

Die Reise findet im Jahre 620 statt. Der Erzengel Gabriel führt Mohammed auf dem geflügelten, mit einem Menschengesicht versehenen Roß Buraq in der Nacht nach Jerusalem und läßt ihn dort auf andere Propheten treffen, die vor ihm gelebt haben. Auch Jesus ist unter ihnen.

Die Sure 17 ist die einzige im Koran, in der man von dieser Reise erfährt, streng genommen ist es sogar nur der erste Vers darin (und, wenn man will, auch der Vers 60, der allerdings nur ganz allgemein von einer Vision spricht). Alle Einzelheiten der Reise sind nicht im Koran, sondern in der Sammlung der den Koran begleitenden unzähligen Hadithe zu finden, das heißt, in der Form von Kommentaren und Apokryphen.

Wie man sieht, wird Jerusalem in dem fraglichen Vers nicht einmal erwähnt. Daß die ferne Moschee dort steht, ist ebenfalls nur aus den Kommentaren entlehnt. Ob damals überhaupt ein Gotteshaus auf dem Tempelberg stand, erscheint mir fraglich, denn der Tempel selbst war seit dem Jahre 70, also seit ziemlich genau 550 Jahren, zerstört, die Juden zerstreut. Ich weiß nicht, ob damals Christen in Jersualem siedelten oder Araber mit unterschiedlichen religiösen Bindungen, eine islamische Moschee im Sinne der von Mohammed begonnenen Erneuerungen dürfte es dort jedenfalls damals noch nicht gegeben haben.

Was ist dann aber die ferne Moschee in der gesegneten Umgebung? Wie so vieles im Koran erfährt man auch dieses nicht. Wie so oft schließt sich das Fenster eines Berichtes und statt dessen wird der Vorhang einer allgemeinen Aussage über Gott vorgezogen: Siehe, er ist der Hörende, der Schauende. Und ganz ohne Übergang beginnt sogleich ein anderes Thema Und wir gaben Moses die Schrift...

So sind die Äußerungen des Göttlichen! schrieb Peter Oberschelp in einem Kommentar zu diesem Blog zu einem von der Form her ähnlichen, mir ebenfalls rätselhaft und unklar erscheinenden Koran-Wort:

"Nach meinem Verständnis ist das doch eigentlich eine typisch religiöse Bewegung: Der Schritt Gottes heraus aus der Transzendenz mit einer Anweisung an uns Menschen und dann der Schritt zurück in das Reich seines unerschöpflichen Ratschlusses."

Mit anderen Worten: man erfährt ein wenig, und dann zieht sich alles hinter den unerforschlichen Ratschluß Gottes zurück.

Ich bin nicht ganz einverstanden damit, daß dies so sein soll.

* Mir bleibt allerdings der Januartag im Jahre 1999 unvergessen, wo wir zusammen mit einer großen Gruppe spanischer Pilger und anderen Touristen in Richtung Tempelplatz in der Jerusalemer Altstadt gingen, während eine nach Zehntausenden zählende Menge von Moslems aus der Al-Aqsa-Moschee strömte. Dort war gerade das Freitagsgebet des Fastenmonats Ramadan zu Ende gegangen. Das Gedränge in der Altstadt war beängstigend, aber der Friede zwischen den Religionen erschien zu keiner Sekunde gefährdet zu sein.

2 Kommentare:

Peter Oberschelp hat gesagt…

1. Gepriesen sei Der, Der bei Nacht Seinen Diener von der heiligen Moschee zu der fernen Moschee, deren Umgebung Wir gesegnet haben, hinführte, auf daß Wir ihm einige Unserer Zeichen zeigten. Wahrlich, Er ist der Allhörende, der Allsehende.

Nimmt man diesen ersten Vers für sich, ohne jede Vor- oder Nachbereitung, so scheint er die Auffassung, der Koran sei poetisch zu lesen, nachdrücklich zu unterstützen. Alles schwebt im weichen Mondlicht und ist auf schöne Weise klar und zugleich völlig unklar, d.h. endlosen Interpretationen offen. Warum in der Nacht, muß die Heilige Moschee nicht weiter bestimmt werden, und welche ist die Ferne Moschee? Einige Zeichen, wieviele und welche und welche nicht? Und dann wieder, das ist offenbar eine Formel, Gottes Allmacht im Hören und Sehen gegenüber unserem, so muß man annehmen, ganz außerordentlich beschränkten Vermögen.

Man müßte sich umso mehr fragen, warum der Koran, wenn das denn sein genereller Duktus sein sollte, dann doch derart eindeutigen und auch harten Ableitungen ermöglicht.

Christian Runkel hat gesagt…

Peter, eines der Ziele, die ich mit meinem Blog erreichen möchte, ist, genau das herauszufinden, wonach Du fragst.

Nach dem Lesen von 18 Suren und fast 300 Seiten Koran vermute ich, daß die Antwort sein wird: es gibt diese harten Ableitungen nur über den Weg der Auslegungen / Hadithe und der apokryphen Schriften.

Der Koran selbst ist tatsächlich im Kern poetisch-ungenau und deshalb ein eher friedliches Gedicht - so sehe ich es bisher.