Dienstag, 19. August 2008

Vom Glauben außerhalb Arabiens

Sure 12: Yusuf / Josef

In Sure 12 steht erstmals eine einheitliche Geschichte im Mittelpunkt, sie wird ausführlich und lebendig erzählt. Von Josef in Ägypten wird berichtet, 102 Verse lang, wie er seine Karriere vom Strafgefangenen zum Berater des Pharao macht und wie er dem ganzen Land am Nil zum Segen wird. Nur die abschließenden Verse 103 bis 111 enthalten allgemeine Worte über den Glauben und auch die vertraute Klage über den Unglauben, alles andere ist eine große, zusammenhängende Erzählung.

Einige Details weichen vom biblischen Bericht ab. So wird die Unschuld Josefs an der behaupteten Verführung von Frau Potiphar sogleich erwiesen (sein bei der Flucht aus dem Zimmer der Frau zurückgelassenes Hemd ist von hinten zerrissen, das kann nur sie gemacht haben, wäre es vorne zerrissen, wäre Josef der Unzucht überführt). Offen bleibt dann allerdings, warum er schließlich doch ins Gefängnis geworfen wird. Auch wird die gottergebene Stärke des Erzvaters Jakob anders als in der Bibel hervorgehoben, wie er über den Verlust seines Sohnes Josef nicht verzweifelt, sondern in der festen Hoffnung bleibt, ihn eines Tages durch Gottes Gnade wiederzubekommen. Diese Hoffnung erfüllt sich, wie man weiß.

Josef steht am Ende als ein leuchtendes Vorbild da – standfest in der Versuchung, weise und vorausschauend in seinen Handlungen. Er ist damit ein ganzer moslemischer Mensch, ein Vorbild für alle Gläubigen. Daß er historisch ein Jude ist, und daß er wie kaum ein zweiter das jüdische Schicksal repräsentiert, als Mitglied eines ungeliebten Gastvolkes zu einem weisen und vorausschauenden Handeln fast schon verurteilt zu sein, interessiert den Koran nicht. Josef ist ein Moslem, ohne Wenn und Aber.

Das Judentum geht im Islam als nationale Frömmigkeit noch radikaler unter als im Christentum, das die jüdischen Geschichten immerhin noch in der Form beibehält, wie die Juden sie selbst überliefert haben. Im Koran gibt es nur noch Moslems, und ihre nationale Herkunft zählt nicht.

Die guten, die vorbildlichen Juden wie Moses, Abraham oder Josef waren deshalb auch von Anfang an alle Moslems, das wird mehrfach im Koran gesagt. Moslems gab es schon vor Mohammed, es gab und gibt sie auch ohne die Erleuchtung durch den Koran.

In Bezug auf die Juden mag das sehr vereinnahmend klingen, ist dabei aber dem christlichen Denken nicht unverwandt, das ebenfalls eine große Vereinheilichung kennt:

Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. (Galaterbrief 3,28)

Man darf an dieser Stelle allerdings die Frage stellen, welche Rolle die neue fromme Nation, die Nation der Araber für den Glauben spielt. Wenn der Koran ein arabischer Koran ist (quranan aarabiyyan, Vers 2 der Sure 12), erhebt er dann nicht die arabische Nation zum neuen auserwählten Volk über die anderen Nationen?

Möglicherweise ist ein solcher Gedanke dem Koran fremd, weil die Araber sich nie als Nation empfunden haben und es bis heute selbst da nur unzureichend sind, wo sie arabische nationale Einheiten gebildet haben. Im Hebräischen heißt „Araba“ die Steppe oder Wüste, es wären von daher also ganz allgemein die Wüstenbewohner, welche den Namen „Araber“ tragen. Viele von ihnen sind Nomaden (in früheren Zeiten war laut Wikipedia der Begriff Araber im Arabischen synonym mit Nomade) und schon von daher an nationalen Zusammenschlüssen nicht interessiert.

Setzt der Koran also mit seiner Hervorhebung des Arabischen jeder nationalen Besonderheit ein Ende, gerade so, als ob er sagen will, daß wir alle Araber sein könnten, zumindest auf spirituelle Weise, wenn wir nur unsere Bindung an befestigte Städte inmitten grüner Wälder aufgeben und als Wüstenpilger durch die Lande ziehen würden?

Einem Europäer, dem seine jüdischen und christlichen Wurzeln die ewige Idee mitgegeben haben, daß der Glaube aus der Wüste kommt, mag der Gedanke an eine gottgeweihte Wüstenexistenz nicht ganz unvertraut sein. Was er allerdings für einen Menschen aus einem entfernten Kulturkreis bedeutet, schildert V.S.Naipaul in seinem 1998 erschienen Reisebericht Beyond Belief - Islamic Excursions Among the Converted People (deutsch: Jenseits des Glaubens).

In diesem Buch berichtet Naipaul an einer Stelle aus dem überwiegend moslemischen Sumatra. Er besucht dort in einem alten Kulturland in vulkanischen Bergen die Stadt Pariangan, die an einem See mit einer Thermalquelle gelegen ist. Aus dieser Quelle sind nach dem Glauben der Ureinwohner Sumatras die ersten Menschen gestiegen.

Naipual beobachtet mit finsterem Blick eine leuchtend rot gestrichene Moschee am Rande des Sees, die von der späten Missionierung Sumatras (um 1300) zeugt. Seit sie dort steht, ist es veboten, sich an der vormals heiligen Quelle mit Sembahyang ("betet den Gott an") zu grüßen, weil es Götzendienst ist. (Man tut es aber weiterhin.)

Später schreibt Naipaul über den Verfall alter moslemsicher Gebäude in Indien. Niemand kümmert sich um sie, auch die Moslems nicht. Naipaul folgert aus diese Achtlosigkeit eine generelle Fremdheit, die aus dem Wissen entsteht, daß es im Vaterland eines Moslems niemals heilige Orte geben kann - sofern er kein Araber ist.

To the [muslim] convert his land is of no historical importance; its relics are of no account; only the sands of Arab are sacred.

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