Freitag, 22. August 2008

Der Koran, die Bergpredigt, Nietzsche

Sure 13: Der Donner

Während der Koran in der 13. Sure mit einer Art Glaubensbekenntnis seinen gewohnten Gang geht (Gott ist der glorreiche Schöpfer der Welt, der Mensch soll ihm gehorchen, es gibt ewigen Lohn und ewige Strafe), hat Freund Erkan Saka in seinem vielbesuchten Blog* ebenfalls den Koran entdeckt und reagiert auf den bereits von mir erwähnten Koran-Blog im britischen Guardian.

Erkan hat eine Bemerkung des Journalisten Andrew Brown (Mitarbeiter des Guardian, der den Blog mit betreut) aufgenommen. Brown hatte gefragt, ob der Koran anders als die Bergpredigt, in der die sanftmütige Unterschicht angesprochen wird, die Gesellschaft eher von der starken Oberschicht her ins Visier nimmt.

Aus dieser Frage hat Erkan die These gemacht, die Religionskritik Nietzsches sei (mit meinen Worten) nur auf die Verlierermentalität der Menschen in der Bibel, nicht dagegen auf die stolzen Moslems des Koran anwendbar. Die Bibel sei unter Sklaven entstanden, der Koran dagegen unter Freien, die zwar dem Druck ihrer Widersacher ausgesetzt waren, diesem aber erfolgreich die Stirn geboten hätten.

Mir war die Idee nicht ganz fremd, weil ich sie bereits bei Yaşar Nuri Öztürk „400 Fragen zum Islam. 400 Antworten“ gefunden hatte.

Öztürk hat in diesem Buch gesagt, im Koran sei Adams Abstieg aus dem Paradies ein freiwilliger Akt, keine Vertreibung. Der biblische Gedanke an eine schmähliche Degradierung spiegele dagegen dem Christen vor, er sei „wie mit einem Buckel“ geboren (so Öztürk). Das führe zu einem „sehr zornigen Unterbewußtsein“ bei westlichen Menschen. Der Koran dagegen setze die freie Geburt eines jeden Menschen voraus, von keiner Erbsünde oder Schuld der Väter belastet.

Ich kann diese Argumentationsweise zwar nachvollziehen, fürchte aber, daß die stolzen Söhne Mohammeds wenig Vorteil aus ihrer Freiheit ziehen können. Nach meiner festen Überzeugung existiert sie in der Realität nicht. Es ist die Erfahrung der meisten Menschen, daß sie am Tage ihrer Geburt die Bühne ihres Lebens bereits fertig dekoriert vorfinden, oft zu ihrem Nachteil. Viele von uns haben unter den falschen Entscheidungen ihrer Eltern zu leiden, viele erben die Folgen böser Taten.

Im Alten Testament wird der israelischen Volksmund zitiert, der sagt: »Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden.« (Jeremia 31, 29) Ähnlich wie im Koran wenden sich auch die Propheten der Bibel scharf gegen die darin enthaltene Resignation, aber sie verweisen anders als der Koran auf eine Rettung Gottes hin, die es erst möglicht macht, von diesem allbekannten Fluch befreit zu werden.

Vielleicht ist das auch der Haupteinwand gegen Nietzsche: es gibt den blonden Herrenmenschen gar nicht. Den Mühseligen und Beladenen findet man dagegen an jeder Ecke.


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