Sonntag, 3. August 2008

Die Farbe der Kuh

Sure 2: Die Kuh

In der zweiten Sure wird die Geschichte der Gottesoffenbarungen erzählt, und dazu die Geschichte der Menschen, die sehr unterschiedlich auf diese Offenbarungen reagierten. Zunächst wird dies als Geschichte des jüdischen Volkes erzählt.

Was in der ersten Sure mit wenigen Worten angedeutet wird, ist hier ausführlich entwickelt, das große Thema der Abweichung: aus Gottes Gnade zu fallen, heißt, im Irrtum leben zu müssen und Gottes Zorn zu verdienen. Die Geschichte der Menschen wird als eine Geschichte ihrer Begegnungen mit den Propheten Gottes geschildert, welche alle mit klaren Zeichen ihrer Berufung auf die Welt kommen, aber immer wieder von den Menschen verkannt und sogar verfolgt werden.

Hier schließt der Koran an eine alte biblische Tradition an, welche besonders bei der Berufung des Propheten Jesaja in einem grandiosen Bild vorgestellt wird (Jesaja 6, Link auf die ziemlich wörtliche Elberfelder Übersetzung). Es endet in der nüchternen Einsicht, daß der Prophet zu einem Volk geschickt wird, das mit seinen Augen nicht sieht und mit seinen Ohren nicht hört und in seinem Herzen nicht einsichtig wird, daß es umkehrt und Heilung für sich findet.

Auch in Sure 2, 17 und 18 heißt es,

...ließ Gott ihr Licht verschwinden und ließ sie in Finsternissen zurück, und sie sahen nichts, taub, stumm und blind; und so kehrten sie nicht um.

Deshalb reagieren die irrenden Menschen auf die Anweisungen, die Gott ihnen durch Moses gibt, mit Ironie: „Treibst du Spott mit uns?“ fragen sie, als das Gebot ergeht, eine Kuh zu opfern –eben die Kuh, die dem ganzen Kapitel seinen Namen gibt. Dann fragen sie Mose aus: was für eine Kuh soll es sein? welche Farbe? wie beschaffen? Nachdem Mose alles berichtet hat, sagen sie spöttisch „nun kommst du mit der Wahrheit“ – und opfern, aber unwillig.

Interessant ist hier die Farbe der Kuh, nach der ausdrücklich gefragt wird. „Gelb!“ ist die Antwort, safrao, wenn ich meine arabische Transkription im Internet richtig lese, das klingt nach „safran“. Könnte das eine bewußte Abkehr von der jüdischen Tradition sein, die von einer roten Kuh spricht (4. Mose 19)?

Vor einigen Monaten ging die Meldung durch die Presse, israelische Rabbiner hätten eine Kuh mit einer offenbar seltenen Rotfärbung gefunden und sähen das als ein endzeitliches Zeichen an. Will der Koran solchen Überlegungen durch eine Umfärbung begegnen, so wie Mohammed mit seiner nächtlichen Entrückung nach Jerusalem dieser Stadt ihr ausschließlich jüdisch-christliches Gesicht nahm?

Die Frage ist angesichts des hebräischen Wortes, das hier mit „rot“ übersetzt wird, vielleicht weniger kontrovers: es lautet adamah, das bedeutet „erdfarben“. Das könnte dann also auch gelb sein, oder braun bis schwarzbraun, die Erde sieht ja von Landstrich zu Landstrich anders aus.

Auch der König David wird in seiner Schönheit (1. Samuel 17,42) als „bräunlich und schön“ (so Luther, dagegen in der Elberfelder Übersetzung: „rötlich“) beschrieben, hebräisch: admoni im jepheh. Im ersten Wort admoni steckt der Anklang an Adam und an Adamah, die Ackererde. Sie hat viele Farben - und vielfarbig wie sie ist auch Adam, der erste Mensch, der von der Ackererde seine Substanz und seinen Namen hat.

Rätselhaft dann aber die Anweisung des Koran, in Streitfragen bei Mord, ihn (den Beschuldigten?) mit einem Stück der Kuh zu schlagen damit Gott herausbringt, was ihr verheimlicht. Der Vers 68 fährt fort:

So macht Gott die Toten lebendig und weist euch seine Zeichen, vielleicht werdet ihr verständig.

Hier wendet sich der Koran deutlich von 4. Mose 19 ab, denn dort bleibt einerseits nur Asche von der Kuh und keine Stücke, mit der man „schlagen“ kann – und andererseits geht es bei dem jüdischen Reinigungsopfer gerade darum, eine klare Linie gegenüber den unreinen Toten zu ziehen, nicht sie zu neuem Leben zu erwecken.


Inhaltsverzeichnis Sure 2

1 – 27 Lob der Gottesfürchtigen, Tadel für die Ungläubigen

28 – 82 Geschichte der Offenbarungen, Adam, die Kinder Israel, Moser(48), Geschichte der Gesetze, darunter das Gesetz über die Kuh (63), Jesus (81),

83 – 117 das Kommen des Koran, interne Konflikte (Mekkaner), Unglauben

118 – 135 Abraham, Ismael und seine Nachkommen

136 – 246 Vorschriften über die Gebetsrichtung, über die Pilgerfahrt, Schweinefleisch (168), Blutrache, Erbrecht, den Monat Ramadan (181), Kriegsführung, erneut die Pilgerfahrt, Almosen (211), Alkohol (216), Ehescheidung (226), das Gebet unterwegs(2039),

247 – 262 Geschichte Israels, Samuel, Saul, David

263 – 283 Vorschriften über Spenden, über Wucher, über das Ausstellen von Schuldscheinen

284 – 286 Bestätigung des Glaubens und abschließende Bitten

Besondere Stellen

21 die Aufforderung an die Ungläubigen" bringt eine gleiche Sure hervor"
38 die Erwähnung des Bundes mit Israel und seiner Bevorzugung (44)
80 Sünde: das irdische Leben für das Jenseits erkaufen
110 Allah hat keinen Sohn
112 die Menschen fordern Zeichen
132 die Taufe
148 Allah ist mit den Standhaften
159 Gott ist in der Natur erkennbar
173 die Blutrache ist „vorgeschrieben“ - wie etwa auch das Verbot für das Schweinefleisch
175 Blutrache: „in der Wiedervergeltung liegt Leben“
185 Undeutliches, hier wie oft das „Vielleicht“: „vielleicht ergeht es euch wohl“
193 Bekanntes wird vorausgesetzt: die Pilgerfahrt „in den bekannten Monaten“
216 unklare Stelle: und sie werden dich befragen, was sie ausgeben sollen als Almosen. Sprich: den Überfluss. So macht euch Allah die Zeichen klar. Vielleicht denkt ihr nach.
240 das Beten zu Pferde, eingeschoben in das Erbrecht
249 die Schechina (Gegenwart Gottes, seine Einwohnung), Arabisch möglicherweise ähnlich: „sakeenatun“
250 Verwechslung von Gideon und Saul
256 laut meiner Ausgabe: ein berühmter Thronvers
274 Muhammed wird direkt angeredet
282 sehr genaue Anweisungen, wie man einen Schuldschein schreibt

1 Kommentar:

Nureddin Öztas hat gesagt…

Lieber Herr Runkel,
der Koran ist die göttliche Botschaft an alle Menschen und an alle anderen Geschöpfe Gottes der vielen Welten, an jede Zeit in der Vergangenheit, Gegenwart und in der Zukunft. Es ist die Fortsetzung, Resume, Auffrischung der selben Botschaft des selben, des einen Gottes der Adam, Noah, Abraham, Moses, Jesus und schliesslich als Siegel der Propheten Mohammed mit der Verkündigung seines Wortes an die Menschen beauftragt hat. Er hat mehrere Hunderttausend Propheten in Folge der Zeit für diese, wichtigste aber auch schwierigste Aufgabe auserwählt. Sie alle haben ihre Aufgabe angenommen und ausgeführt. Viele Millionen Jünger und Nachfolger der Propheten lebten und leben unter uns, um uns abermals an unsere eigentliche Aufgabe zu erinnern: Gott zu finden, ihn zu kennen,ihn zu lieben und ihm zu dienen, nur ihm. Das geschieht auf dreierlei Weise:
1.Das Studium des Buches "Natur"
2.Das Studium der Heiligen Bücher
3.Das Leben der Propheten.
Gott erschafft, betreut und beobachtet seine Spiegel auf Erden, den Menschen. Gott lässt uns nicht eine millionstel sekunde allein und unbeobachtet, aber er lässt manche Dinge wider Seinem Willen passieren, um der Prüfung der Menschen willen. Denn dieser Ort soll ein Prüfungsort zur Unterscheidung seiner glücklichen Diener vom armseligen, törichten Volk. Wie wenn man durch Zermahlen der Berge von der Kohle den Rohdiamanten gewinnt, stellt uns Unser Schöpfer vor schwierigen und manchmal schmerzlichen und unverständlichen Prüfungen, nicht um uns zu foltern, sondern wie wenn aus dem Rohdiamanten ein Edelstein entsteht schleift Gott uns damit zum edelsten aller edlen, zum Ausserwählten Paradiesvolk.
Mit lieben Grüßen,

Nureddin Öztas

P.S.
ein schönes Schriftstück für die Originalität des Koran als Gottes Wort:

Ist der Koran, wie einige Menschen unterstellen, das Werk des Propheten Muhammad? Wie lässt s
Geschrieben von Fethullah Gülen
Mittwoch, 05 Mai 2004
Zu der Behauptung, der Koran sei das Werk des Propheten Muhammad und nicht, wie die Muslime glauben und wissen, das Wort Gottes, wurde bereits viel gesagt und geschrieben. Ich werde mich an dieser Stelle auf die entscheidenden Punkte beschränken.

Diese Behauptung wurde von modernen Orientalisten ebenso wie von ihren Vorgängern, christlichen und jüdischen Autoren, die die Verbreitung des Islam sehr bedauerten, vorgebracht. Doch Unterstellungen wie diese sind den Muslimen schon aus dem Koran durchaus vertraut. Der Koran referiert, dass die heidnischen Araber der Dschahiliya (der Zeit der Unwissenheit vor dem Islam) zu behaupten pflegten, der Prophet habe sich die Offenbarung selbst ausgedacht: Und wenn ihnen Unsere deutlichen Verse verlesen werden, sagen die Ungläubigen von der Wahrheit, wenn sie zu ihnen kommt: „Das ist offenkundige Zauberei. Oder sie sagen: „Er hat ihn (den Koran) erdichtet." (46:7-8) Sie waren verzweifelt bemüht, ihre Interessen gegen den wachsenden Einfluss des neuen Glaubens zu schützen und hofften - so wie es auch ihre modernen Kollegen tun - einige Muslime dazu zu bringen, die Autorenschaft und damit auch die Autorität des Koran anzuzweifeln.

Zunächst einmal möchte ich hier bekräftigen, dass der Koran unter allen Offenbarungsschriften in zweierlei Hinsicht einzigartig ist, wie selbst die Gegner des Koran anerkennen müssen. Erstens liegt uns der Koran in seiner ursprünglichen Sprache vor, einer Sprache, die auch heute noch gesprochen wird. Zweitens ist der gesamte Text des Koran im Wortlaut verbürgt. Seit der Zeit seiner Offenbarung ist er unverändert und unbearbeitet geblieben und in keinster Weise verfälscht worden. Andere Offenbarungsschriften hingegen - die christlichen Evangelien zum Beispiel - haben nicht in ihrer Originalsprache überlebt. Auch ist die Sprache der ältesten vorliegenden Fassung dieser Schriften keine Sprache, die bis heute gesprochen wird. Es wurde vielmehr eindeutig nachgewiesen, dass die Texte dieser Schriften über Generationen hinweg von vielen menschlichen Händen editiert und nochmals editiert, verändert und verfälscht wurden, um die Interpretationen bestimmter Sekten zu stützen. Mit Fug und Recht wird behauptet, dass diese Texte ihre Autorität als Offenbarungsschriften eingebüßt haben. Sie dienen in erster Linie Gruppierungen, deren entfernte Vorfahren die betreffenden Versionen schufen, als nationale und kulturelle Mythologien. Dies ist mehr oder weniger der Konsens der westlichen Gelehrten bezüglich des Status dieser einstigen Offenbarungsschriften Gottes.

Fast zwei Jahrhunderte lang haben die westlichen Gelehrten den Koran einer ebenso gründlichen Untersuchung unterzogen wie jene Schriften. Entgegen ihrer Erwartungen ist es ihnen jedoch nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass auch der Koran über viele Generationen hinweg von vielen Händen verfälscht wurde. Sie fanden zwar heraus, dass sich die Muslime - ebenso wie die Christen - in streitende Untergruppen aufsplitteten, betonten jedoch gleichzeitig, dass die muslimischen Gruppen - im Unterschied zu den Christen - grundsätzlich danach strebten, ihre Position durch Bezugnahme auf ein und denselben Koran zu rechtfertigen. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Versionen der Evangelien entdeckt werden oder dort wieder auftauchen, wo sie verloren gegangen sind bzw. versteckt wurden. Im Gegensatz dazu kennen alle Muslime nur den einen Koran, dessen ursprüngliche Worte in dem Zustand erhalten geblieben sind, den sie zum Zeitpunkt des Todes des Propheten Muhammad, Friede sei mit ihm, hatten. Damals war die Offenbarung abgeschlossen, und bis heute hat sie nicht die geringste Veränderung erfahren.

Neben dem Koran besitzen die Muslime auch die Sunna, eine Aufzeichnung der Lehren des Propheten Muhammad in Form von praktischen Beispielen und Grundsätzen, die zu einem großen Teil (wenn natürlich auch nicht vollständig) in den ,Hadith'-Sammlungen zusammengetragen wurden. Auch die Worte des Propheten werden in den Hadithen wiedergegeben. Diese zwei Quellen, Koran und Hadith, könnten in der Qualität ihrer Ausdrucksform und ihres Inhalts kaum unterschiedlicher sein. Die Araber, die - ob sie nun Gläubige waren oder nicht - den Propheten reden hörten, fanden seine Worte prägnant, eindrucksvoll und überzeugend, versicherten aber, dass er ihre Alltagssprache spreche. Wenn sie jedoch den Koran hörten, waren sie von Gefühlen der Verzückung, der Faszination und der ehrfürchtigen Scheu überwältigt. In den Hadithen spürt man die Gegenwart eines menschlichen Individuums, das sich an seine Mitmenschen wendet, die Gegenwart eines Mannes, der über bedeutsame Fragen nachdenkt und, wenn er das Wort ergreift, mit angemessenem Ernst und tiefer Ehrfurcht vor dem Willen Gottes spricht. Der Koran hingegen wird sofort als gebieterisch und erhaben wahrgenommen, ihn zeichnen eine transzendente und unwiderstehliche Majestät von Stil und Inhalt aus. Geist und Verstand wehren sich dagegen zu glauben, Koran und Hadithe seien ein und desselben Ursprungs.

Auf Grund der vollkommenen Transzendenz seiner Perspektiven und Betrachtungsweisen unterscheidet sich der Koran gänzlich von jedem menschlichen (literarischen oder sonstigen) Kunstwerk. In anderen Offenbarungsschriften spürt der Leser oder Hörer in einzelnen Phrasen oder Passagen, dass er sich tatsächlich in der Gegenwart der Botschaft Gottes an die Menschheit befindet. Im Koran aber transportiert jede Silbe den Eindruck erhabener und intensiver Kommunikation mit dem Einen, der allwissend und barmherzig ist. Außerdem kann der Koran nicht wie menschliche Werke mit einer gewissen Distanz betrachtet und auf abstrakter Ebene diskutiert und abgehandelt werden. Der Koran fordert uns auf, zu verstehen, zu handeln und unseren Lebensstil zu ändern. Er versetzt uns auch in die Lage, dies zu tun, weil er uns im Innersten unseres Wesens berühren kann. Er spricht unsere ganze Realität als spirituell und physisch kompetente Wesen, als Geschöpfe des Barmherzigen an, nicht etwa nur das eine oder andere unserer Talente. Der Koran ist keine Botschaft, die lediglich unsere Fähigkeit für philosophische Überlegungen, unsere poetisch-künstlerische Sensibilität, unsere Macht, unser natürliches Umfeld bzw. unsere politischen und rechtlichen Angelegenheiten zu verwalten und neu zu gestalten, unser Bedürfnis nach gegenseitigem Mitgefühl und gegenseitiger Vergebung oder das Verlangen unseres Geistes nach Wissen und Trost in Anspruch nimmt. Der Koran ist nicht für einen bestimmten Menschen oder für ein bestimmtes Volk, für eine bestimmte Nation, ausschließlich für Männer, nicht aber für Frauen, nur für die Unterdrückten und Schwachen, nicht aber für die Reichen und Mächtigen, oder für Sünder und maßlose Menschen, nicht aber für tugendhafte und disziplinierte Menschen bestimmt. Der Koran wendet sich an die gesamte Menschheit, und seine Botschaft ist im Namen Gottes für alle Zeiten maßgeblich (und auch geschützt).

Diese Transzendenz und die Reichhaltigkeit der koranischen Perspektive sind bei allem, was er anspricht, zu spüren. Zum Beispiel stellt der Koran die Versorgung der Eltern im hohen Alter auf eine Stufe mit dem Glauben an die Einmaligkeit Gottes. Die Aufforderung, anständig für eine geschiedene Frau zu sorgen, steht wiederum auf der gleichen Stufe wie die Ermahnung, den Allwissenden, der auch alles sieht, zu fürchten. Um die vollständige Bedeutung solcher Nebeneinanderstellungen weiß Gott am besten. Seine gläubigen Diener aber kennen ihre Konsequenzen und können darüber berichten: Sie tragen zur Vervollkommnung des inneren Selbst bei, die dringend vonnöten ist, wenn ein Mensch auf die Dauer tugendhaft, frohgestimmt und mit jener Bescheidenheit handeln soll, die eine rechtschaffene Tat auch zu einer würdevollen macht und verhindert, dass sie dem, der eigentlich von ihr profitieren soll, zur Last fällt.

Der Koran fordert in mehreren Versen diejenigen, die seine Authentizität bezweifeln, auf, eine Sure hervorzubringen, die sein Niveau erreicht. Doch bis heute hat niemand dieser Aufforderung nachkommen können und auch in der Zukunft wird das niemand schaffen. Aus Gründen, die bereits dargelegt wurden, ist es nur Gott allein gelungen, Sich die transzendente und barmherzige Perspektive des Koran zu Eigen zu machen. Die Gedanken und Bestrebungen selbst der besten Menschen werden immer von den Umständen, innerhalb derer (bedingt durch den Willen Gottes) ihr Leben beginnt und endet, beeinflusst - das ist eine unvermeidbare Konsequenz der Tatsache, dass die Menschen erschaffen wurden. Deshalb sind früher oder später alle rein menschlichen Werke zum Scheitern verurteilt oder verlieren zumindest an Wirkung und Kraft: Irgendwann ist ihr Stil nicht mehr aktuell oder ihr Gegenstand nicht länger relevant. Sie sind zu allgemein und zu weit von der Realität menschlicher Erfahrung entfernt oder aber zu sehr mit einigen bestimmten Umständen verknüpft, sodass es ihnen an Allgemeingültigkeit und Anwendbarkeit mangelt. Die Werke des menschlichen Verstandes oder seiner Hände sind aus einer ganzen Reihe von Gründen und unabhängig davon, ob er mit ihnen guten oder schlechte Absichten verfolgt, nur von begrenztem Wert. Daher konnte bis zum heutigen Tag niemand der Aufforderung nachkommen. Selbst wenn die gesamte Menschheit alle bekannten Quellen nutzen und zusammenarbeiten würde, und selbst wenn sie bei dieser Arbeit von den Dschinn (Geistwesen) unterstützt würde - einmal angenommen, das wäre überhaupt möglich - würde sie es nicht schaffen, auch nur einen Bruchteil des Koran hervorzubringen. Mit den Worten des Koran:

...sprich: „Wenn sich auch die Menschen und die Dschinn vereinigten, um etwas Gleiches wie diesen Koran hervorzubringen, brächten sie doch nichts Gleiches hervor, selbst wenn sie einander beistünden."

(17:88)



Der Koran ist das Wort des Allwissenden und Sehenden, der Seine Schöpfung von innen wie von außen und vom Anbeginn der Zeit bis zu deren Ende kennt. Deshalb versteht der Koran die Menschen: Er spricht sie an, er testet sie und er lehrt sie - wenn man so will, ,liest' der Koran gewissermaßen seine Leser. Den Worten des Koran zufolge bereitet das Bewusstsein, der Botschaft Gottes gegenüber zu stehen, den Gläubigen eine Gänsehaut. Die Atmosphäre, die diese Gläubigen umgibt und das Klima, in dem sie sich befinden, ändern sich so plötzlich und gründlich, als würde sich ihre eigene Körpertemperatur schlagartig verändern.

Bislang bin ich lediglich auf die allgemeine Wahrheit und die grundsätzlichen Perspektiven des Koran eingegangen, um mit ihnen zu beweisen, dass nur Gott dessen Autor sein kann. Aber auch das Wesen des Koran bietet Argumente, die nicht weniger einleuchtend sind. Diejenigen, die in guter wie schlechter Absicht die Behauptung aufstellen, der Koran sei das Werk eines Menschen, können ihre Behauptung nicht aufrechterhalten. Andere Offenbarungsschriften als der Koran stellen - eben weil sie (wie oben ausgeführt) durch den Menschen verfälscht wurden - Behauptungen auf, von denen wir wissen, dass sie falsch sind. In diesen Offenbarungsschriften erscheinen zum Beispiel Berichte über die Erschaffung der Welt oder bestimmte Naturereignisse (wie zum Beispiel die Sintflut), von denen wir dank moderner wissenschaftlicher Erforschung der Sterne oder infolge von Untersuchungen von Fossilien auf der Erde wissen, dass sie nicht stimmen. Menschen haben diese Offenbarungsschriften verändert, um sie ihren eigenen Auffassungen anzupassen. Mit dem Fortschreiten der Wissenschaft sind ihre Vorstellungen und die von ihnen gefälschten Offenbarungsschriften irrelevant geworden und haben sich (großenteils) überholt. Der Koran aber wird von der Verfügung Gottes gegen jede Einflussnahme menschlicher Nachlässigkeit oder menschlicher Fehldeutung geschützt.

Wie könnte der Koran in Angelegenheiten, von denen die Menschen zur Zeit der Offenbarung des Koran nicht die leiseste Ahnung hatten, Wort für Wort die Wahrheit sagen, wenn nicht Gott sein Autor wäre? Ein Beispiel:

Haben die Ungläubigen nicht gesehen, dass die Himmel und die Erde eine Einheit waren, die Wir dann zerteilten?

(21:30)

Erst seit wenigen Jahren sind wir in der Lage, die wörtliche Bedeutung dieses Verses über die allererste Sekunde des Universums zu erfassen. Der Vers Allah istes, der die Himmel, die ihr sehen könnt, ohne Stützpfeiler emporgehoben hat. Dann herrschte Er über Sein Reich. Und Er machte die Sonne und den Mond dienstbar; jedes (Gestirn) läuft seine Bahn in einer vorgezeichneten Frist. Er bestimmt alle Dinge. Er macht die Zeichen deutlich, auf dass ihr an die Begegnung mit eurem Herrn fest glauben möget. (13:2) gestattet uns ohne weitschweifende Erläuterungen, in den unsichtbaren Stützpfeilern die gewaltigen zentrifugalen und zentripedalen Kräfte zu erkennen, welche das Gleichgewicht zwischen den Himmelskörpern aufrechterhalten. Diese und Verse ähnlichen Inhalts (z. B. 55:5; 21:33, 38-39; 36:40) teilen uns mit, dass die Sonne und der Mond Gestirne mit einer festgeschriebenen Lebensdauer sind, dass ihre Leuchtkraft bereits abgenommen hat bzw. noch abnehmen wird und dass sie in den Himmeln Bahnen folgen, die mit minuziöser Genauigkeit festgelegt sind. Das wortgetreue Verständnis dieser Verse mindert nicht die Verantwortung, die sich aus diesem Verständnis ergibt: Auf dass ihr an die Begegnung mit eurem Herrn fest glauben möget., oder anders ausgedrückt: Die Intention dieser Verse hat sich nicht verändert; nur die Umstände, die unsere Kenntnisse der Welt der Erscheinungen beeinflussen, haben sich gewandelt. Was die früheren Offenbarungsschriften betrifft, so enthüllt die Weiterentwicklung der Wissenschaften deren Ungenauigkeit immer deutlicher, was auch die Irrelevanz der mit ihnen verbundenen Glaubensinhalte noch verstärkt. Andererseits hat die Weiterentwicklung der Wissenschaft bei keinem einzigen Koranvers zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit oder Plausibilität geführt. Ganz im Gegenteil: Viele Verse sind nun sogar noch umfassender und besser zu verstehen. (In anderen Kapiteln, die sich noch eingehender mit dem Thema ,Koran und Wissenschaft' beschäftigen, werden weitere Beispiele für solche Verse angeführt; siehe zum Beispiel Kapitel 3.4.)

Und trotzdem gibt es immer noch Menschen, die darauf bestehen, nicht Gott habe den Koran verfasst, sondern ein inspirierter Prophet namens Muhammad, Friede sei mit ihm. Während sie aber ständig beteuern, welche Bedeutung sie der Vernunft zumessen, behaupten sie etwas, was für einen Menschen schlicht und einfach unmöglich ist. Wie konnte sich ein Mann vor etwa 1400 Jahren zu Dingen äußern, die inzwischen auf anderen Wegen als wissenschaftliche Wahrheiten etabliert sind? Wie können Geist und Verstand ernsthaft davon ausgehen, dass ein Mensch zu so etwas fähig wäre? Mit welchen Instrumenten soll der Prophet mit einer anatomischen und biologischen Genauigkeit, die erst kürzlich attestiert wurde, entdeckt haben, wie die Zellen der Säugetiere Milch produzieren? Wie soll er herausgefunden haben, wie sich Regenwolken und Hagelkörner bilden? Wie soll er die fruchtbare Wirkung der Winde so genau bestimmt haben? Wie soll er sich darüber informiert haben, wie sich Landmassen bewegen und Kontinente formieren und wieder verformen? Mit welchen gigantischen Teleskopen aus welchen Observatorien soll er die physische Expansion des Universums erforscht haben? Mit welchem, Röntgenstrahlen gleichen, Sehvermögen soll er es geschafft haben, die verschiedenen Abschnitte der Entwicklung eines Embryos im Mutterleib in genauen und unverkennbaren Details zu beschreiben?

Ein weiterer geheimnisvoller Aspekt des Koran, der erwähnt werden muss, um seinen Ursprung bei Gott zu unterstreichen, besteht darin, dass nicht nur seine Informationen über die Vergangenheit absolut wahr, sondern auch seine Prophezeiungen sehr viel sagend sind. Als die Gefährten des Propheten zum Beispiel der Meinung waren, die Artikel des Vertrags von Hudaybiya seien doch recht nachteilig, übermittelte der Koran ihnen die frohe Botschaft, dass sie die Moschee (al-masdschid al-haram) einst gefahrlos betreten würden. Außerdem prophezeite er ihnen, dass die Religion des Islam gegenüber all den anderen Religionen siegreich sein werde. (48:27-28) Er verkündete ihnen, dass die Römer die Perser neun Jahre nach ihrer vernichtenden Niederlage im Jahre 615 besiegen würden, dass die Gläubigen jedoch diese beiden Großmächte zerstören würden (30:2-5). Zu jener Zeit, als der Koran diese erfreuliche Botschaft bekannt machte, gab es gerade einmal vierzig Gläubige, die allesamt unter den gnadenlosen Verfolgungen der Oberhäupter Mekkas litten.

Wer die Autorenschaft des Koran dem Propheten zuschreibt, lässt seinen Verstand außen vor und bringt seine Seele in höchste Gefahr. Gott ist ein einziges Wesen. Er hat auf keiner Ebene irgendwelche Teilhaber. Der Prophet war der beste aller Menschen, der Vollkommene, aber dennoch nie mehr als ein Mensch. Der Koran selbst bezeichnet ihn als solchen, ermahnt ihn, tröstet ihn und macht ihm Vorwürfe. Als der Prophet zum Beispiel einige Heuchler von der Teilnahme am Gefecht freistellte, kritisierte ihn der Koran: Allah verzeiht dir! Warum erlaubtest du ihnen (zurückzubleiben), bis die, welche die Wahrheit sagten, bekannt wurden und du die Lügner erkanntest? (9:43) Als er nach der Schlacht von Badr Gefangene machte, wurde er mit folgenden Worten zurechtgewiesen: Ihr wollt die Güter dieser Welt, Allah aber will (für euch) das Jenseits. Und Allah ist erhaben, weise. Wäre nicht schon eine Bestimmung von Allah da gewesen, so hätte euch gewiss eine schwere Strafe getroffen um dessentwillen, was ihr (euch) genommen habt. (8:67-68) Auch als der Prophet bei einer Gelegenheit sagte, er werde am nächsten Tag dieses und jenes tun, ohne die Worte in scha Allah (so Gott will) hinzuzufügen, also ohne sein Vertrauen in Gott zum Ausdruck zu bringen, wurde er verwarnt: Und sprich nie von einer Sache: „Ich werde es morgen tun.", es sei denn (du fügst hinzu): "So Allah will." Und gedenke deines Herrn, wenn du dies vergessen hast, und sprich: „Ich hoffe, mein Herr wird mich noch näher als diesmal zum rechten Wege führen." (18:23-24) Ein weiteres Beispiel: Und du verbargst das, was du in dir hegtest, das, was Allah ans Licht bringen wollte, und du fürchtetest die Menschen, während Allah es ist, den du in Wirklichkeit fürchten sollst. (33:37) Im Anschluss an eine Privatangelegenheit verpflichtete sich der Prophet einmal, nie mehr Honig zu essen und nie mehr Honigsorbett zu trinken. Da ermahnte ihn der Koran: O Prophet! Warum verbietest du das, was Allah dir erlaubt hat, um nach der Zufriedenheit deiner Frauen zu trachten. Und Allah ist stets vergebend und barmherzig. (66:1)

Auch in anderen Versen, in denen die primären Pflichten und die Verantwortung des Propheten im Koran deutlich in den Vordergrund treten, werden die Grenzen seiner Autorität klar formuliert. Zwischen dem Gesandten und der Botschaft, die ihm offenbart wurde, besteht eine genauso große Kluft wie zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer.

Warum halten Orientalisten und ihre Anhänger angesichts all dieser Beweise ihre Behauptung, der Prophet sei der wahre Autor des Koran, aufrecht? Der Grund dafür liegt in ihrer Furcht vor dem Islam. Es gibt so viele Wunder, die mit dem Koran verknüpft sind, dass wir sie hier gar nicht alle aufzählen können. Das eindrucksvollste Wunder aber besteht darin, dass der Koran in erstaunlich kurzer Zeit eine Zivilisation gründete, die sich fortan als unverwechselbar und dauerhaft erwies. Der Koran bildete die Verfassung, die alles bereitstellende und allen gegenüber barmherzige Grundstruktur dieser Zivilisation. Er regte die behördlichen, rechtlichen und steuerlichen Reformen an, welche notwendig sind, um einen riesigen Staat verschiedener kultureller Gemeinschaften und anderer Religionen aufrechtzuerhalten. Der Koran inspirierte eine wahrhaft wissenschaftliche Neugier, die Natur zu studieren, zu reisen und verschiedene Völker und Kulturen zu erforschen. Er drängte die Menschen, kaufmännische Unternehmungen mit Geld auszustatten und das Zinssystem vollständig abzuschaffen. Dadurch sollte das Kapital, während es anwuchs (was es auch tatsächlich tat), in der gesamten Gemeinschaft zirkulieren. Der Koran regte die ersten öffentlichen Programme zur Verbesserung der Lesefähigkeit und Hygieneprogramme an. (Die Gläubigen sollten den Koran lesen und sich auf die Anbetung Gottes vorbereiten können.) Er forderte die organisierte Neuverteilung überschüssigen Vermögens an die Armen und Bedürftigen, an Witwen und Waisen, an Gefangene und Schuldner. Er verlangte die Freilassung von Sklaven und rief zur Unterstützung derer auf, die neu zum Islam übertraten. Diese Liste ließe sich noch beträchtlich erweitern. Wichtig ist aber vor allem, dass einzig und allein der Koran das erreicht hat, woran viele weltbekannte, aber von Menschen geschaffene Werke kläglich gescheitert sind. Kennen wir nicht alle mindestens ein vom Menschen ersonnenes System, das eine ideale Gesellschaft etablieren und verwalten möchte, oder zumindest ein System oder eine ,Formel, die eine faire Lösung der Probleme sozialer, kultureller oder politischer Unterschiede zwischen den Menschen vorsieht? Welche dieser Systeme oder Formeln haben denn jemals zumindest teilweise oder für eine begrenzte Zeit zum Erfolg geführt?

Diejenigen, die behaupten, der Prophet sei der Autor des Koran, haben Angst vor dem Koran, vor seiner Macht und Autorität für die Muslime. Sie befürchten, die Muslime könnten seinen Anordnungen Folge leisten und die Zivilisation des Islam wiederherstellen. Sie sähen es lieber, die richtungsweisenden Menschen in den islamischen Ländern würden ihrer Behauptung Glauben schenken und sich davon überzeugen lassen, dass der Koran das Werk eines Menschen ist, ein Werk, das aus einem vergangenen Jahrhundert stammt und deshalb nicht länger maßgeblich ist. Geschähe dies, würde der Traum jener Menschen wahr werden, die den Islam hassen und fürchten. Die Muslime würden dann auf die gleiche Weise an ihrer Religion festhalten, wie es die Mehrheit der Christen in säkularen westlichen Gesellschaften tut: Er würde sie an etwas Schönes erinnern, was längst der Vergangenheit angehört.

Man würde uns gerne dazu bringen zu glauben, der Koran gehöre ins siebte Jahrhundert. Um die Gläubigen zu beschwichtigen, gesteht man ein, dass der Koran ja ,zu seiner Zeit' sehr fortschrittlich gewesen sei. Aber jetzt, so wird gesagt, sei es die westliche Kultur, die fortschrittlich ist, die einen von intellektueller und kultureller Freiheit geprägten Lebensstil anbietet und zivilisiert ist. Der Koran und der Islam hingegen seien heute rückständig! In Wahrheit aber haben die physikalischen Wissenschaften die Korrektheit des Koran bei Fragen, die sich ausschließlich mit der Welt der Erscheinungen beschäftigen, bestätigt und uns mit einem Wissen versorgt, das uns in die Lage versetzt, den Koran noch besser zu verstehen. Bessere Kenntnisse menschlicher Beziehungen und menschlicher Psychologie werden die Wahrheit des Koran in der Zukunft auch auf diesem Gebiet nachweisen.

Es mag vielleicht so aussehen, als seien wir sehr weit von unserem Thema, der Autorenschaft des Koran, abgeschweift. In Wirklichkeit aber haben wir es nicht aus den Augen verloren. Die Behauptung, der Koran basiere auf menschlicher Inspiration, ist nur ein Beispiel und ein Bild für das Unvermögen, aufrichtig und in aller Bescheidenheit über die Realität unseres Daseins nachzudenken. Denn wir Menschen sind zu Dank verpflichtete Geschöpfe, denen alles bereitgestellt wird. Wir erschaffen uns nicht selbst. Unser Leben wird uns ebenso geschenkt wie unsere Fähigkeit zur Meditation, unser Begriffsvermögen und unser Mitgefühl. Auch unsere außergewöhnlich differenzierte, vielfältige und zur Erneuerung fähige Welt, in der diese Fähigkeiten zum Einsatz kommen sollen, wird uns zur Verfügung gestellt. Deshalb ist auch das Wunder des Koran ein Geschenk der Gnade an uns. Die Menschheit hätte ihn ebenso wenig wie sich selbst hervorbringen können. Gott sagt im Koran, die Menschheit sei nicht einmal dann, wenn sie sich zusammenschließen würde und zudem noch von den Dschinn unterstützt würde, in der Lage, auch nur eine Fliege zu erschaffen. Außerdem macht Er geltend, würde es uns niemals gelingen, auch nur einen Teil des Koran selbst hervorzubringen.

Wir bekräftigen deshalb, dass der Koran das Wort Gottes ist, und verbürgen uns dafür, dass der Glaube an den Koran durchaus mit Vernunft und Erfahrung in Einklang zu bringen ist. Wir bescheinigen dem Koran, dass er die Verfassung und die Grundlage ist, auf die sich das individuelle und gesellschaftliche Leben gründen soll. Und da der Koran eine Gnade des Allbarmherzigen gegenüber der Menschheit darstellt, wird er auch in aller Zukunft maßgeblich sein. Er wird uns auf ewig eine Rechtleitung gewähren, die zur Tugendhaftigkeit und zum Glück führen wird - vorausgesetzt, wir sind der Qualität der Anbetung und dem Gehorsam, den er uns abverlangt, gewachsen.