Sure 8: Die Beute
Sie werden dich über die Beute fragen. Sprich: die Beute gehört Gott und dem Gesandten.
So beginnt die achte Sure, und man muß hier erneut tiefer in die Geschichte der acht wechselvollen Jahre zwischen der Vertreibung der jungen muslimischen Gemeinde nach Medina (622 n. Chr.) und ihrer siegreichen Rückkehr nach Mekka (630 n. Chr.) eindringen. Wikipedia hilft, wie so oft, hier besonders wenn es um Einzelheiten zur Schlacht von Badr (624 n. Chr.) geht, in der die Medineser um Mohammed die Mekkaner erstmals in größerem Stil besiegen konnten. Wenn man die Geschichte der Schlacht in epischer Breite nachlesen will (in Englisch), kann man den Tafsir (Korankommentar) zu Sure 8 bei Searchtruth aufsuchen.
Ob die Schlacht ein Ruhmeskapitel war oder eher ein frecher Raubzug gewesen ist, kann vermutlich nur der beurteilen, der die angestammten Rechte der Städter, Bauern, Nomaden und in Stämmen organisierten Menschen der Arabischen Habinsel um das Jahr 600 herum genau kennt. Offenbar haben sich die Muslime in Medina im Recht gesehen, wenn sie gelegentlich Karawanen der Mekkaner ausplünderten, die eine Straße in der Nähe von Medina benutzten, um Handel mit Damaskus zu betreiben.
Einer der Angriffe stieß auf den unerwarteten Gegenschlag einer eilends aus Mekka herbeigerufenen Schutztruppe, und Mohammeds Gefolgsleute hatten plötzlich statt einer wehrlosen Karawane eine überlegene Heeresmacht gegen sich. Es müssen an die 2.000 Mekkaner gewesen sein, denen ein paar hundert Medineser optisch stark unterlegen waren. Daß sie trotzdem in der "Schlacht von Badr" zum Sieg kamen, haben die Gefolgsleute Mohammeds als einen deutlichen Beweis dafür angesehen, daß Gott auf ihrer Seite war.
Die Sure nun nimmt diesen Sieg zum Anlaß, allgemeine Regeln für den Krieg aufzustellen. Daß die Beute Gott gehört, wird weiter hinten in der Sure konkretisiert: 20 % davon. Praktisch bedeutet dies, daß Mohammed als der Gesandte diesen Anteil erhält, er muß davon aber den Bedürftigen etwas abgeben (den Waisen und Armen und dem Sohn des Weges, Vers 42).
Zu der Beute gehören wohl oft auch Sklaven und Sklavinnen, jedenfalls werden einige davon bei späteren Kämpfen von Mohammed übernommen und gelegentlich auch zu Nebenfrauen gemacht.
Die Gegner in dem in Sure 8 als Bürgerkrieg bezeichneten Konflikt bekommen Aussicht auf Schonung, wenn sie ihren Widerstand gegen Mohammed aufgeben und ihrerseits Muslime werden. So geschieht es dann auch im Jahre 630, in dem Mekka ohne großes Blutvergießen von Mohammed und seinen Leuten eingenommen wird.
Zwei Führer der Mekkaner werden nach der Schlacht von Badr hingerichtet, die meisten anderen kommen frei, da mag die vielfache Verwandtschaft der im medinesischen Exil lebenden früheren Mekkaner eine Rolle gespielt haben.
Charakteristisch für die Anweisungen, die Mohammed erhält, sind am Ende der Verse immer wieder die Wendungen ins Allgemeine, die einem außenstehenden Leser wohl auf ewig unverständlich bleiben. Ich schreibe als Beispiel den Vers 63 ab. Was hat hier der Halbsatz nach dem Semikolon mit dem Vordersatz davor zu tun?
Sind sie aber zum Frieden geneigt, so sei auch du ihm geneigt und vertrau' auf Gott; siehe, er ist der Hörende, der Wissende.
Ich habe jetzt rund 160 Seiten von 580 gelesen, also ein Viertel des Korans, die ersten Suren sind ja die längsten, und ich kann sagen, daß ein solcher Satz für viele Aussagen des Korans typisch ist - ein konkreter erster Halbsatz mit einer Anweisung, eine eher unkonkrete allgemeine Erkenntnis über Gott im zweiten Halbsatz. Das hinterläßt den Leser oft ratlos, zumindest den christlichen.
Sonntag, 10. August 2008
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1 Kommentar:
Christian schreibt:
Sind sie aber zum Frieden geneigt, so sei auch du ihm geneigt und vertrau' auf Gott; siehe, er ist der Hörende, der Wissende.
Ich kann sagen, daß ein solcher Satz für viele Aussagen des Korans typisch ist - ein konkreter erster Halbsatz mit einer Anweisung, eine eher unkonkrete allgemeine Erkenntnis über Gott im zweiten Halbsatz. Das hinterläßt den Leser oft ratlos, zumindest den christlichen.
Nun ich: Nach meinem Verständnis ist das doch eigentlich eine typisch religiöse Bewegung: Der Schritt Gottes heraus aus der Transzendenz mit einer Anweisung an uns Menschen und dann der Schritt zurück in das Reich seines unerschöpflichen Ratschusses. Zusätzlich denke ich an Blumenbergs ein wenig freches menschliches Einrücken in die Transzendenz ein mit dem Apercu, es gebe keinen stichhaltigen Grund für die Annahme, Gottes unerschöpflicher Ratschuß sei für Gott selbst erschöpflich.
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