Mittwoch, 3. September 2008

Siebenschläfer

Sure 18: Die Höhle

Diese Sure überrascht mit der lebensfrischen Erzählung einer alten christlichen Legende: im Römischen Reich schlafen sieben fromme Jünglinge zur Zeit der Christenverfolgungen in einer Höhle ein, werden nach zwei oder drei Jahrhunderten wieder wach und stellen staunend fest, daß im Reich mittlerweile der neue Glaube an den Gott der Christen den Sieg angetreten hat.

Die Kunde von den Jünglingen in der Höhle muß sich um das Jahr 500 herum wie ein Lauffeuer im Mittelmeerraum verbreitet haben und war etwa 100 Jahre später zur Zeit Mohammeds offenbar auch den Arabern in Mekka geläufig, denn ihnen sagt der Koran ein wenig spielerisch: was hat es mit dem bekannten Streit auf sich, wie viele Jünglinge tatsächlich in der Höhle waren? Drei, fünf, wie viele? Und Mohammed kann auf sein vom Himmel kommendes Wissen verweisen und sagen: Mein Herr kennt am besten ihre Zahl, nur wenige wissen sie. Immerhin teilt er die genaue Zahl der Höhlenjahre mit: dreihundert Jahre und noch neun dazu.

Die Christenheit hält sich an die Zahl sieben, was die Schläfer in der Höhle betrifft, und erinnert sich bis auf den heutigen Tag regelmäßig an diese heiligen Jünglinge – und zwar immer am 27. Juni, dem Siebenschläfertag, an dem das Wetter dann, wenn die Bauernregel sich bestätigt, ebenfalls in eine Art Schlaf tritt und sich über sieben Wochen nicht mehr verändert.

Warum der Koran die Geschichte erzählt, dafür kann es mehrere Gründe geben. Ich sagte schon, daß Mohammed anhand der Kenntnis von Details auf sein himmlisches Wissen verweisen kann. Außerdem ist das Ausharren in einer Verfolgung natürlich immer vorbildlich, besonders wenn man von den Polytheisten um des Glaubens an den Einen Gott willen verfolgt wird, wie es im römischen Reich der Fall war. Im christlichen Raum soll das Beispiel der wieder zum Leben erweckten jungen Männer außerdem dem Glauben an die Auferstehung einen starken Auftrieb gegeben haben, auch das wäre im Sinne des Koran.

Wie auch immer – hier wird eine Geschichte aus der Kirche der ersten Jahrhunderte lebendiger und detailgenauer erzählt als das meiste, was der Koran aus der Bibel übernimmt. Das könnte die These unterstützen, daß Mohammed weder das Alte noch das Neue Testament gekannt hat, dafür aber eine reiche mündliche Tradition von jüdischen und christlichen Erzählungen, teilweise aus den ersten christlichen Jahrhunderten, der Zeit nach Jesus.

Vielleicht sollte man Augustinus (geboren und im Jahre 430 gestorben im heutigen Algerien) lesen, um den Koran in seiner Entstehungszeit besser zu verstehen.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Es ist ein Jammer, daß unser Freund Erich aus der Elektronik ausgestiegen ist - Du erinnerst Dich, als er noch ausgestattet war, haben wir einige rege Diskussionen zu Dritt geführt.

Erich ist Katholik aber immer mit einem Fuß sozusagen im Buddhismus, da er dort mehr Friedfertigkeit und Bescheidenheit sieht. Noch höher aber schätzt er den Winterschlaf ein als die friedfertigste und ökologisch wertvollste Existenzform überhaupt. Zu sehen, daß Christentum und Islam Schlafepochen von einigen hundert Jahren durchgängig kennen, könnte ihn womöglich leichter bei der Stange halten.

In meiner Naivität habe ich selbst bei Siebenschläfer nie an etwas anderes als an die putzigen kleinen Tierchen gedacht. In der Tat hat in meiner Kindheit Brehms Tierleben in etwa den Platz eingenommen, den in einer frommen Haushaltung die Bibel hat. Die so entstandene Ursprungslücke habe ich noch nicht ganz schließen können.