Samstag, 13. September 2008

Im Haus Abrahams

Sure 22: Die Pilgerfahrt

Was ist der Sinn der Pilgerfahrt nach Mekka? In dieser Sure wird einiges dazu gesagt. Das wichtigste davon erscheint eher in einem Nebensatz. In einer Passage mit den Opfervorschriften, nach denen Kamele geschlachtet und verspeist werden (die Armen nehmen am Essen teil), wird über die Mekka-Pilger gesagt: Laß sie zu dir kommen […] auf daß sie Zeugnis ablegen von den Vorteilen, die sie davon haben. (Vers 29)

Zwei Motive kommen hier zusammen, die sich auch in der Bibel finden: das zeugnishafte Bekenntnis zu seinem Glauben und die Erwartung, daß Gott die Gläubigen auch auf Erden materiell segnet. Denen hilft er, die […] das Gebet verrichten und die Armenspende entrichten und das Rechte gebieten und das Unrechte untersagen (Vers 42). Das ist ein irdisches Versprechen für die Frommen. Zwar wird im Koran nach meinem Eindruck insgesamt mehr auf den himmlischen Lohn verwiesen als auf den irdischen, aber auch auf der Erde wirkt Gottes Vorsorge sich positiv auf das Wohlergehen der Gläubigen aus.

Was sollen sie tun, um sich dieser Vorsorge sicher zu sein? Das Gebet verrichten und die Armenspende entrichten und das Recht einhalten! So wird es in Vers 42 gesagt – und es durchzieht den ganzen Koran. Wenn man danach fragt, was dieses Recht ist, dann findet man erstaunlich wenig konkrete Antworten – außer einigen Sondervorschriften wie etwa in Sure 4 über das Erbrecht und das Recht der Witwen und Waisen.

Dieser Mangel hat einen Sinn. Der Koran setzt offenbar eine Art Naturrecht voraus, von dem jeder Mensch einen Begriff hat. „Gewissen“ würden wir im Deutschen sagen, es ist vermutlich kein Wort, das man im Koran finden wird, aber es drückt etwas dem Koran Verwandtes aus.

In Vers 66 gibt es ein Gebot über die Sitten und Gebräuche anderer Völker, denen der Prophet die Lehre von dem einen und einzigen Gott verkünden wird: Jedem Volk gaben wir Gebräuche, die sie beobachten, drum laß sie nicht mit dir hierüber streiten sondern rufe sie zu deinem Herrn. […] Streiten sie jedoch mit dir, so sprich: ‚Gott kennt am besten euer Tun. Er wird richten zwischen euch […]’ Offenbar sollen dem Propheten die natürlichen Vorstellungen von Recht und Unrecht genügen, die das fremde Volk bereits hatte, bevor ihm der Prophet seine Botschaft überbrachte. Das Endgericht Gottes wird jeden nach seinen Sitten und Gebräuchen beurteilen.

Im Ergebnis finde ich im Koran bislang nichts, was den Zehn Geboten der Bibel in irgendeiner Weise ähnlich wäre. Es entsteht der Eindruck, daß man solche Gesetze zu Mohammeds Zeiten als bekannt voraussetzen konnte* und jetzt nur noch den Dreiklang von Einem Gott, der Verrichtung des Gebets und der Armenspende als neue Inhalte der Prophetenpredigt hören sollte.

Und dazu natürlich die Pilgerfahrt! Ihr Ziel ist das Haus Abrahams, das Gott ihm zur Wohnung gab (Vers 27), die Kaaba. Abraham wäre demnach viele Tagereisen weit aus Palästina nach Süden gewandert, nicht nur nach Ägypten, wie die Bibel berichtet, sondern auch weit hinein in das Innere der Arabischen Halbinsel, und hätte dort im steinernen Tal die Kaaba als Haus zugewiesen bekommen, er, der Zeltbewohner.

Damals, in Abrahams Zeiten, hat Gott nach der Vorstellung des Korans die Gläubigen für sich auserwählt – mit einem Auftrag, den sie ohne Probleme erfüllen konnten: Er hat euch erwählt und hat euch in der Religion nichts Schweres auferlegt, nämlich die Religion eures Vaters Abraham. (Vers 77) Auch Abraham kannte, so kann man ergänzen, noch keine Zehn Gebote und begnügte sich mit der einfachen Anweisung: Ich bin der allmächtige Gott, El-Schaddaj. Wandle vor mir und sei fromm. (1. Mose 17,1)

*Herrn Öztaş werde ich bei unserem nächsten Treffen fragen, warum der Koran nicht deutlicher auf die alten Gesetze hinweist, wenn er sie doch offenbar als richtig und notwendig voraussetzt. Enthalten muslimische Bibliotheken die Bibel oder Teile davon?

1 Kommentar:

Nureddin Öztas hat gesagt…

(eine alte christliche Tradition hat als Regel, daß man in einem Gespräch immer wieder zu dem Punkt zurückkehren sollte, an dem man sich einig ist oder war)
Im Koran steht das so ähnlich drin: " Lasst uns zusammenkommen auf ein Wort das uns verbindet."
Selbstverständlich ist der Koran an alle Menschen herabgesandt und nicht nur den Arabern. Die Araber sind privilegiertet als wir, weil sie direkt verstehen was wir uns mühsam übersetzen müssen. Im Diesseits ist es scheinbar so, aber für die Betrachtung im Jenseits, bevorteilt Gott den Jenigen der mehr Mühe hat, gegenüber die es leichter hatten. Man muss die Betrachtung immer auf beide Welten lenken. Das Andere ist auch, Sie lesen den Koran in deutscher Übersetzung von Anfang bis Ende, obwohl Sie in Deutschland geboren sind, Christ sind etc. Ich kenne Millionen von Muslimen die den Koran nicht gelesen haben. Gott schickte den Koran in Arabisch, aber Sie schickte er mit mehr Intersse und mehr Intellekt. Wer ist priviligierter?
Gott hat davor andere Sprachen gewählt und hat auch nicht die anderen Völker benachteiligt. Im Islam ist die Rede von mehreren Hunderttausend von Propheten über die Zeit und überall in der Welt verstreut. Sie sprachen alle eine andere Sprache. Gott wählt für uns zu unserer Zeit angemessen diese Sprache. Zuvor war es Aramäisch etc. Die Ursprache vom Gott zum Propheten mag viel intensiver wirken, ich weiss es nicht, aber ich denke auch wie Sie, daß dieses noch nicht in Buchstaben eingehüllte Wort Gottes viel intensiver wirken muss. Die Rede ist vom Koranlesen von Gott selber zum Volke des Paradieses an Freitagmittagen. Das ist für uns schwer begreiflich. Unser Prophet beschreibt den Gottes Originalton:
Eine Minute paradiesisches Leben entspricht zu 1000Jahre zum glücklichsten Moment auf Diesseits. Und eine Minute des Antlitzes Gottes während er dem Volk des Paradieses spricht ist im Vergleich zu 1000 Jahren Leben im Paradies. Aus diesem Hadith wird deutlich, daß Gott höchstpersönlich den Koran sprechen wird und daß das mit Nichts zu vergleichen ist. Die Zahlen dienen zur Verdeutlichung. Hier muss man auch den Koran etwas analysieren. Der Koran muss eine uns auf dieser Welt noch nicht bewusste Form von einer Seele haben, der uns im Paradies mit absoluter Offenheit sichtbar sein wird. Ein weitere Aspekt ist auch der Empfang der Schrift vom Gabriel. Wie man weiss ist Mohammed ein Analphabet gewesen. Darin steckt auch viel Interessantes drin. Auf die Frage wie man sich das vorstellen muss, während er die Schrift empfängt sagte er, es ist ähnlich wie ein Zittern im ganzen Körper, Schweissausbruch, ein mächtiger Druck in der Brust, die Augen verdrehen sich, man wird ohnmächtig als der Gabriel ihm die Schrift überträgt. Diese Schrift gleicht Gabriel noch in diesem Moment mit Mohammed ab, so daß es zu keinem Fehler kommt, bis Mohammed es auswendig lernt. Das sind Bruchteile einer Minute. Daran sieht man wieder etwas über die Intensität des Koran.
Diese Urform wird dann direkt von seinen mindestens 2 Archivaren in dieser Minute wiederholt und auswendig gelernt. Unmittelbar danach folgt die Niederschrift. Das ist auch der Beginn der Zunft der " Hafis" . Es sind jene die den ganzen Koran von Anfang bis Ende auswendig können. Diese Praxis wird bis in unsere Zeit beibehalten. Wir haben auf der ganzen Welt Millionen von Hafiz die ständig damit beschäftigt sind den Koran immer wieder vom Gedächtnis vor dem prüfenden und verwöhntem Publikum zu rezitieren. Insbesondere trifft das auf den Monat Ramazan zu.
Die Sprachen haben ein Leben. Typisch ist, daß sie sich mit der Zeit entwickeln. Es ist kein Fehler den Koran zeitgemäß zu deuten und zu übersetzen. Das ist auch üblich. Der Koran ist in viele Weltsprachen übersetzt, auch ins Türkisch. Es existieren auch seit Jahrhunderten viele Kommentare, Deutungen oder Inspirationen etc. Wir alle Gläubigen können manchmal uns ertappen inspiriert worden zu sein. Wir können uns manchmal wunder, ob wir das sind der gerade spricht. Das ist alles legitim und völlig im Sinne unseres Schöpfers. Wir müssen nur unsere Erkenntnisse mit anderen teilen, die Ahnung haben. Das Andere ist die Urform der Schrift. Es ist schön daß wir eine Wurzel haben, der uns auf die Erde bindet. Die Wurzel bleibt, die Blätter und die Blüten können sich über die Jahreszeiten verändern. Solange die Wurzel unversehrt bleibt, ist der ständige Wandel oberhalb unwichtig. Wenn aber die Wurzel angefressen ist, kann keine Blüte und Blatt mehr wachsen.


Mit lieben Grüßen,

Nureddin Öztas