Donnerstag, 18. September 2008

Gute Absicht, böse Aufnahme

Sure 25: Die Unterscheidung

Gesegnet sei der, welcher die Unterscheidung hinabsandte auf seinen Diener. So beginnt die Sure 25 – und unterbricht sogleich den hellen Gedanken wieder, was da alles an Weisheit möglich wäre, wenn man zu unterscheiden lernt zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht, wahren und falschen Wegen. Al-Furqa heißt die Unterscheidung in Arabisch, ein ehrfurchtgebietendes Wort. Aber nichts von ihr – es beginnt sogleich in Vers 2 die erneute Klage über die Menschen, die Gott Gefährten an die Seite stellen und ihm nachsagen wollen, er habe ein Kind gezeugt. Die Schilderung der Gedanken und Taten der Ungläubigen durchzieht die ganze Sure, die Unterscheidung dagegen wird nicht mehr erwähnt. Was in guter, klärender Absicht herabgesandt wurde, findet bei den Menschen eine böse Aufnahme.

Man sollte nicht vorschnell über das ewige Lamentieren des Korans über die Ungläubigen urteilen. Auch die Evangelien der Bibel haben ja ihre Aufmerksamkeit dem Stand der Pharisäer und Schriftgelehrten gegenüber so sehr ausgeweitet, daß man sich oft fragt, was deren ständiges Auftreten eigentlich bewirken soll.

Die Christen haben sich darauf geeinigt, daß die Pharisäer eine beständige Mahnung auch an zukünftige Generationen von Gläubigen sein sollen, ihr Leben nicht in kalter Gesetzlichkeit und Menschenferne zu führen. Vielleicht steckt etwas Ähnliches im Negativmuster der Ungläubigen des Korans.

Sie werfen Mohammed vor, er lebe ein natürlich Leben, mit Essen und Trinken und Wandeln auf den Bazaren (Vers 8). Kräftige Erweise seiner Gottgesandtheit will man sehen, einen Klumpen Gold vom Himmel gefallen, einen von Gott herabgeworfenen Garten, um davon zu essen. Ja, wenn es ein Engel wäre, der einem den Koran vorliest, dann würde man glauben!

Alles das kann Mohammed nicht bieten, will es auch nicht. Er verkündet weiter unbeirrt den Gerichtstag Gottes – da wird das Reich des Erbarmers sein (Vers 28), ihm gehören, was aber im gleichen Atemzug bedeutet, daß es dies Erbarmen nur für die Gläubigen gibt, denn derselbe Vers sagt, und es soll ein Tag für die Ungläubigen sein, ein harter.

Ob es die Ungläubigen hören? Als selbst unter dem Vorwurf des Unglaubens stehend sage ich: mich würde es eher umstimmen, von der segensreichen Wirkung zu hören, die von der ins praktische Leben eingebrachten Unterscheidung ausgeht.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Man sollte nicht vorschnell über das ewige Lamentieren des Korans über die Ungläubigen urteilen.

Auch bei Dante, dem gewaltigtsten christlichen Dichter, ist die Hölle der Ungläubigen (Mohammed sitzt bei ihm im übrigen auch ziemlich tief unten) weitaus plastischer gelungen als der Himmel der Gläubigen. Der Blick ins Zentrum des Glaubens verliert sich ohnehin im gleißenden Licht, erst an den Rändern kann das Auge wieder Fuß fassen.

Zwangsweise führt mich das wieder zu Luhmann als dem modernen Nachzeichner solcher Verhältnisse. Er läßt die Welt nicht mit einer Einheit, sondern mit einer Differenz beginnen, wobei immer nur eine Seite der Differenz markiert ist. Für uns ist natürlich die Immanenz markiert, über die andere Seite, die Transzendez, wissen wir nur wenig. Wer die Ungläubigen sind, ist klar, was der Glaube und die Wahrheit sei, bleibt rätselhaft.