Sonntag, 28. September 2008

Das Herz des Korans

Sure 34: Saba
Sure 35: Die Engel
Sure 36: Ya-Sin



Mohammed hat die 36. Sure Das Herz des Korans genannt. So geht es aus einem der unzähligen Hadithe des Korans hervor, das sind zusätzliche Überlieferungen und spätere Auslegungen, die alle zusammen die Sammlung der Sunna ergeben. Ein weiteres Hadith empfiehlt es, diese Sure Sterbenden vorzulesen. Hinter beiden Aussagen steckt offenbar der Gedanke, daß diese Sure eine stärkende Wirkung hat, daß sie in besonderer Weise geeignet ist, bei Lebenden die träge Unentschlossenheit zu überwinden und Sterbenden die Kraft zum Weg ins Jenseits zu geben.

Die Sure wiederholt dann auch entsprechend alle Aussagen über das Wesen des Glaubens, die dem Leser bereits in ähnlicher Form, aber verstreut über unterschiedliche Passagen, in den 35 Suren zuvor vertraut gemacht worden sind. Es sind, in meinen eigenen Worten:

- die Menschen sind von Natur aus nicht geneigt, dem Wort Gottes Folge zu leisten,

- ihnen werden die Worte des Propheten als Warnung gegeben; sie reagieren aber aggressiv und bedrohen immer wieder die zu ihnen gesandten Propheten,

- der Gläubige dagegen sagt: Gott hat mich geschaffen, zu ihm kehre ich zurück, niemand außer ihm, dem Erbarmer, kann mir wirksam helfen, deshalb glaube ich; diesem Gläubigen wird Vergebung zuteil,

- Gott hat allen Menschen Zeichen gegeben, die auf sein Wirken hinweisen: er läßt Pflanzen aus der Erde sprießen, führt Sonne und Monde geordnet herauf, ermöglicht den Schiffen einen Weg über das Meer und erschafft die Tiere zum Nutzen des Menschen.

In der zweiten Hälfte der Sure wird das Weltgericht am Ende der Zeiten in Worten beschrieben, die den Worten der Bibel ähnlich sind - der Posaunenstoß, das Öffnen der Gräber, der Lohn guter und böser Taten, Paradies für die einen, ewiges Feuer für die anderen.

Der Prophet soll alles dies immer wieder in nüchternen, verständlichen Worten sagen, deshalb heißt es: und nicht lehrten wir ihn Posie (Sure 36, Vers 69). Die Moslems erfreuen sich vor dem Hintergrund dieser Worte vielleicht besonders daran, daß der Koran am Ende trotzdem ein Werk von großer poetischer Kraft geworden ist, wie die Kenner seiner Sprache immer wieder hervorheben.

Der Prophet soll sich - auch das ein wiederholt im Koran vorkommendes Anliegen - nach allem nicht betrüben, wenn er Widerstand erfährt (Vers 76). Er soll sich an dem Gott freuen, der groß und strahlend über dem Ende der Sure steht: der Schöpfer des Himmels und der Erde, der ins Sein rufende, und der, über den es mit den letzten Worten der Sure heißt: Zu ihm kehrt ihr zurück.

Wer einen Eindruck vom Klang der Sure 36 haben will, kann die ersten Verse in YouTube von einer bezaubernden Kinderstimme rezitiert hören. Bismi Allahi kann man zu Beginn verstehen, im Namen Gottes, und Ya-Sin, den Titel der Sure, der aus den beiden der Sure vorangestellten Buchstaben I und S besteht, über deren Bedeutung die Hadithe unterschiedliche Erklärungen haben. Ich danke Herrn Öztaş herzlich für den Hinweis auf dieses Video.

Eine kleine Beobachtung am Rande: die Sure 36 enthält, anders als die meisten Suren vor ihr, nur eine einzige kurze Erwähnung einer älteren Prophetenhandlung. Diese spielt sich in der Stadt ab (Vers 12), deren Name nicht genannt wird. Die traditionelle Annahme, die heute aber wohl wieder verworfen wird, sagte, gemeint sei Antiochien*, die Hauptstadt der Römischen Provinz Syrien, beherrschende Stadt des östlichen Mittelmeers im Altertum.

In die Stadt kommen zwei Prediger, die - wenn es tatsächlich Antiochien ist - nur christliche Prediger sein können, sie werden abgelehnt und mit dem Tode bedroht. Überraschend kommt aber dann ein Mann vom Ende der Stadt gelaufen (Vers 19), der die Botschaft der Prediger bestätigt und in einfachen, klassischen Worten das sagt, was ein Glaubender zum Ausweis seines Glaubens sagen muß. Ihm wird sogleich gesagt, geh ein ins Paradies (Vers 25). Er ist der Held dieser Sure, und sein klares Bekenntnis ist sicherlich das Herzstück des Herzens des Koran.

Die Auslegung mit Antiochien gefällt mir aus einem persönlichen Grund: Antiochien ist nach biblischer Überlieferung (Apostelgeschichte 11,26) die Stadt, in welcher die junge Bewegung der Jesus-Nachfolger einen neuen griechischen Namen bekommen hat. Dieser Name bedeutet wörtlich "Die Salber", weil die Jesus-Leute von Jesus als dem "Gesalbten" sprachen. Die Salber bekamen einen Namen, der vielleicht spöttisch klingen sollte, der aber wenig später als Markennamen um die Welt ging und nebenbei auch Grundlage für meinen Vornamen wurde: Χριστιανούς, Christianous, Christen.

* heute Antakya in der Türkei

1 Kommentar:

Nureddin Öztas hat gesagt…

Lieber Herr Runkel,
der Koran ist Gottes Wort das ist für uns Muslime so selbstverständlich, wie Amen in der Kirche. Aber wie kann das den Nicht-Muslimen erklärt werden, ohne sie vorm Kopf zu stoßen? Es ist der Wunsch der Muslime die Gräben zu schliessen und alle einzuladen, selbst die Atheisten. Glaube ist ein meschliches Bedürfnis von Gott geplant, so denke ich, daß auch die Atheisten glauben ohne daß sie es zugeben. Die Ablehnung die rein formal und ideologisch begründet ist verhindert eine neutrale Bewertung.
Alle Beweise, alle Wunder, alle anderen Indizien verwelken unter dieser ablehnenden Betrachtungsweise. Für alle diese Dinge kann man Gegenbeweise bringen und die Echtheit anzweifeln. Am Ende wird trotzdem jeder wieder 2 Entscheidungen haben für oder wider.Gott lässt es zu, daß wir unser Schicksal bauen oder verbauen.Die Antwort werden wir sicher erfahren, im nächsten Leben. Die Frage ist was gewinnt man, wenn man nicht glaubt? und was steht auf dem Spiel wenn man sich doch irrt?
Folgender Text veranschaulicht die islamische Sicht zu Koran:
Argumente, die beweisen, dass Gott der Urheber des Koran ist
Geschrieben von Fethullah Gülen
Mittwoch, 31 Mai 2006
Selbst wenn wir Wortwahl, Stil und Bedeutung des Koran nur oberflächlich studieren, wird uns sofort auffallen, dass er ganz und gar einzigartig ist. In puncto Rang und Wert steht er entweder unter allen anderen Büchern - was selbst der Satan nicht behaupten kann oder sich auch nur vorstellt - oder über allen anderen. Weil er über allen anderen steht, muss es sich bei ihm um das Wort Gottes handeln.
Der Koran erklärt offen:
Und nie zuvor hast du in einem Buch gelesen, noch konntest du eines mit deiner Rechten schreiben; sonst hätten die Verleugner daran gezweifelt. (29:48)
Es ist zweifelsfrei bewiesen, dass der Prophet Muhammad ein Analphabet war. Der Koran jedoch hat der Menschheit eine Aufgabe gestellt, der keine zeitlichen Grenzen gesteckt sind:

Und wenn ihr im Zweifel seid über das, was Wir auf Unseren Diener herab gesandt haben, so bringt doch eine Sure gleicher Art herbei. (2:23)
Niemand hat es je geschafft, diese Herausforderung anzunehmen.
Der Koran wurde über 23 Jahre hinweg offenbart. Wie könnte ein solches Buch, das sich mit der Wahrheit Gottes, der Metaphysik, religiösen Glaubensinhalten und Anbetungsformen, Gebeten, Gesetz und Moral, dem Leben nach dem Tode, Psychologie, Soziologie, Erkenntnislehre, Geschichte, wissenschaftlichen Fakten und den Grundbausteinen eines glücklichen Lebens beschäftigt, frei von allen Widersprüchen sein? Tatsächlich erklärt der Koran selbst, dass er keinerlei Widersprüche aufweist und deshalb ein Buch Gottes ist:
Sie machen sich keine Gedanken über den Koran. Wäre er von einem anderen als Allah, so würden sie darin gewiss viel Widerspruch finden. (4:82)
Der Koran ist ein literarisches Meisterwerk, das sich nicht kopieren lässt. Sein Stil und seine Beredsamkeit, ja sogar seine einzelnen Sätze, Wörter und Buchstaben schaffen eine wunderbare Harmonie. Sie alle befinden sich in Hinblick auf Rhythmus, Sprachmelodie, geometrische Proportionen, mathematische Maßeinheiten und Wiederholungen an genau der richtigen Stelle. Sie alle sind auf perfekte Art und Weise ineinander verwoben und miteinander verknüpft.
Im vorislamischen Arabien genossen Dicht- und Redekunst überaus großes Ansehen. Es wurden Dichterwettstreite abgehalten, bei denen die Gedichte der Gewinner in Gold verewigt und an der Mauer der Kaaba aufgehängt wurden. Niemand hatte den ungebildeten Propheten Muhammad zuvor auch nur einige wenige Vers sprechen hören. Und nichtsdestotrotz veranlasste der Koran, den er brachte, selbst die bekanntesten Spezialisten auf diesem Gebiet zu kapitulieren.
Selbst die Ungläubigen waren vom Koran fasziniert. Um aber die Ausbreitung des Islam zu verhindern, bezeichneten sie ihn als Hokuspokus, auf den man nicht hören solle. Als dann aber Dichter wie Hansa und Lebid konvertierten und ihre eigene Poesie aus Respekt und Ehrfurcht vor dem Stil und der Beredsamkeit des Koran aufgaben, mussten die Ungläubigen eingestehen: "Wenn wir ihn ein Stück Dichtkunst nennen, dann stimmt dies nicht. Wenn wir ihn als Reimprosa bezeichnen, dann ist dies ebenfalls unzutreffend. Aber auch als Worte eines Wahrsagers ist er nicht zu beschreiben." Zuweilen konnten sie nicht anders, als heimlich der nächtlichen Rezitation des Propheten zu lauschen; jedoch vermochten sie nicht, ihre Arroganz zu überwinden und an den göttlichen Ursprung des Koran zu glauben.
Trotz des hohen Niveaus der Dichtkunst der damaligen Zeit war das Vokabular des Arabischen noch nicht so hoch entwickelt, als dass man mit dieser Sprache metaphysische Vorstellungen oder wissenschaftliche, religiöse und philosophische Konzepte hätte adäquat ausdrücken können. Der Islam, der sich der Worte und Ausdrücke eines einfachen Wüstenvolks bediente, formte das Arabische zu einer sehr reichen und komplexen Sprache, zu einer Sprache der vorzüglichsten Zivilisation der Weltgeschichte, zu einer Sprache, die ihren eigenen produktiven Beitrag zu wissenschaftlichen, religiösen, metaphysischen, literarischen, ökonomischen, juristischen, sozialen und politischen Themenbereichen leistete. Wie hätte ein Mensch, der weder lesen noch schreiben kann, eine philologische Revolution einleiten können, die in der Menschheitsgeschichte ohne Beispiel ist?
Trotz seiner offensichtlichen Einfachheit verfügt der Koran über viele unterschiedliche Bedeutungsebenen. Er weist Dichtern, Musikern und Rednern ebenso den Weg wie Soziologen, Psychologen, Wissenschaftlern, Ökonomen und Juristen. Die Gründer aller wahren spirituellen Orden und Rechtsschulen fanden in ihm alle Prinzipien, die sie benötigten, um ihre Anhänger zu schulen. Der Koran zeigt jedem, wie er seine Probleme lösen und sein spirituelles Streben befriedigen kann. Wäre irgendein anderes Buch wohl hierzu in der Lage?
Egal wie schön und interessant ein Buch auch sein mag - wir lesen es höchstens zwei- oder dreimal und legen es dann für immer beiseite. Auf der anderen Seite haben Milliarden Muslime Teile des Koran in ihren täglichen fünf Gebeten rezitiert; die meisten von ihnen rezitieren ihn mindestens einmal im Jahr von Anfang bis Ende, viele sogar ein- oder zweimal pro Monat. Je öfter wir den Koran lesen, desto mehr profitieren wir von ihm und desto stärker wird unser Wunsch, ihn zu lesen. Die Menschen werden seiner Worte, seiner Bedeutung und seines Inhalts nicht müde, und der Koran verliert nichts von seiner Originalität und Frische. Im Laufe der Zeit haucht er den Gedanken und Seelen neue Wahrheiten und Bedeutungen ein und erhöht ihre Aktivität und Lebhaftigkeit.
Der Koran geht auf all unsere physischen und spirituellen Aspekte ein und beinhaltet Prinzipien, die das Potenzial besitzen, alle sozialen, ökonomischen, juristischen, politischen und administrativen Probleme unabhängig von Zeit und Ort zu lösen. Er befriedigt Verstand und Geist gleichermaßen und garantiert uns Glückseligkeit in beiden Welten.
Kein Mensch, und mag er auch noch so intelligent sein, kann Regeln aufstellen, die alle Arten von Problemen lösen. Selbst die besten Systeme, die ihren Ursprung nicht im Koran oder in der Offenbarung Gottes haben, müssen mindestens alle 50 Jahre überarbeitet werden. Was aber noch wichtiger ist: Keines dieser Systeme kann dem Menschen ewige Glückseligkeit versprechen. Denn die Prinzipien all dieser Systeme beschränken sich allein auf das irdische Leben, das vergänglich und im Vergleich zum Leben im Jenseits unendlich kurz ist.
Im Gegensatz dazu hat sich keines der koranischen Prinzipien im Laufe der Zeit abgenutzt, und keines müsste nachgebessert werden. Zum Beispiel ermahnt der Koran ausdrücklich, dass Reichtum ...nicht nur bei den Reichen unter euch umläuft (59:7), dass Regierungsämter kompetenten und qualifizierten Menschen anvertraut werden sollen und dass absolute Gerechtigkeit die Devise in der öffentlichen Verwaltung und in der Rechtsprechung unter den Menschen sein soll(siehe Sure 4:58). Er legt ferner fest, dass die Menschen nur das erhalten sollen, worum sie sich bemühen (siehe Sure 53:39), und dass jemand, der einen Menschen ungerechtfertigt tötet, mit jemandem auf einer Stufe steht, der die ganze Menschheit getötet hat (siehe Sure 5:32). Diese und viele andere Prinzipien wie das Verbot von Wucher, Glücksspiel, Alkohol und außerehelichem Geschlechtsverkehr sowie die Anweisungen, die das Beten, das Fasten, das Geben von Almosen und statthaftes Verhalten betreffen, werden durch die Liebe zu und die Ehrfurcht vor Gott, durch die Verheißung eines ewigen glückseligen Lebens und durch die Furcht vor der Bestrafung in der Hölle gestärkt.
Der Koran enthüllt die Geheimnisse des Menschen, der Schöpfung und des Universums. Der Mensch, der Koran und das Universum sind die drei ‚Bücher', die uns den Schöpfer bekannt machen. Sie sind drei Ausdrucksformen einer einzigen Wahrheit. Deshalb ist der Eine, der den Menschen und das Universum erschaffen hat auch Derselbe, der den Koran offenbart hat.
Es wird uns nicht gelingen, jemanden zu finden, der genau das tut, was er von anderen verlangt, oder dessen Inneres sich genau in seinen Taten widerspiegelt. Der Koran bildet jedoch eine Einheit mit dem Propheten Muhammad; er ist ebenso die Verkörperung Muhammads in Worten, wie Muhammad die Verkörperung des Koran in Glauben und Handeln ist. Beide sind zwei Ausdrücke ein und derselben Wahrheit. Wenn Aischa zum Wirken Muhammads befragt wurde, pflegte sie zu antworten: "Lest ihr denn nicht den Koran? Sein Verhalten ist die Verkörperung des Koran." Dies zeigt deutlich, dass sowohl der Koran als auch Muhammad die Werke Gottes, des Allmächtigen, sind.
Schriftsteller sind im Allgemeinen so von ihrem Umfeld beeinflusst, dass sie sich ihm nicht entziehen können. Der Koran hingegen wurde zwar abschnittsweise zu bestimmten Anlässen offenbart, ist aber nichtsdestotrotz universell und objektiv, wenn er bestimmte Themen abhandelt, und exakt und präzise, wenn er sich universellen Angelegenheiten widmet. Wenn er den Beginn der Schöpfung, das Ende der Zeit oder die Erschaffung des Menschen und dessen zukünftiges Leben in der anderen Welt beschreibt, verwendet er präzise Ausdrücke. So wie er an einigen Stellen allgemein gültige Schlüsse aus konkreten Ereignissen zieht, schließt er an anderer Stelle auch von allgemein gültigen Prinzipien auf konkrete Ereignisse. Dieser für den Koran typische Stil findet sich in keinem einzigen Werk von Menschenhand. Auch er ist ein deutlicher Hinweis auf den göttlichen Ursprung dieses Buchs.
Kein Autor hat in seinem Spezialgebiet ein Buch geschrieben, das auch nur annähernd so präzise ist wie der Koran in ganz unterschiedlichen Bereichen wie Religion, Recht, Soziologie, Psychologie, Eschatologie, Moral, Geschichte, Literatur usw.. Der Koran enthält, entweder in gestraffter oder detaillierter Form, nicht weniger als die Prinzipien aller Wissenszweige; und nicht einem einzigen Punkt dieses Wissens wurde jemals widersprochen. Was braucht es mehr, um den göttlichen Ursprung des Koran zu beweisen?
Welcher Schriftsteller kann für sich in Anspruch nehmen, dass alles, was er schreibt, absolut korrekt ist und bis zum Jüngsten Tag Gültigkeit behält? Schlussfolgerungen der Wissenschaft sind schnell überholt. Die früheren Offenbarungsschriften wie die Thora und die Evangelien erfahren ständige Veränderungen. Selbst ein oberflächliches Studium der zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Sprachen veröffentlichen Ausgaben reicht aus, um diese Veränderungen zu erkennen. Die Wahrheiten des Koran jedoch haben sich, wie Said Nursi es ausdrückt, ihre Frische bewahrt: "Während die Zeit immer älter wird, wird der Koran immer jünger." Trotz aller seit Beginn der Offenbarung des Koran unternommenen Bemühungen, Fehler und Widersprüche in ihm zu finden, ist er unverändert geblieben - eine Tatsache, die seine Einzigartigkeit widerspiegelt. Auch heute noch erobert er täglich neue Herzen, enthüllt ihnen seine verborgenen unendlich großen Schätze und erblüht wie eine paradiesische Rose mit zahllosen Blütenblättern.
Egal wie groß unser Wissen und wie gut unser Ruf auch sein mögen - wären wir etwa dazu in der Lage, im Namen des Präsidenten, des Premierministers und aller Minister, im Namen aller Vereinigungen von Schriftstellern, Rechtsanwälten, Handwerkern, aller Dozenten und Wissenschaftler einer Universität zu sprechen? Und selbst wenn ja - dürften wir dann für uns in Anspruch nehmen, sie alle genau so zu repräsentieren, wie sie es wünschen? Und wenn wir auch das dürften - würden wir es dann obendrein tatsächlich auch schaffen, alle Angelegenheiten unseres Landes zu leiten? Genau das ist es, was dem Prophet mit dem Koran gelungen ist. Wie kann man nun behaupten, dass ein Analphabet, der bis zu seinem 40. Lebensjahr völlig unpolitisch war, dies ohne die Inspiration und Unterstützung Gottes verwirklicht hätte?
Der Prophet wird im Koran auch getadelt. Wäre er selbst der Autor, hätte er dann einer schwer wiegenden Verleumdung gegen seine Ehefrau so viel Platz eingeräumt? Hätte er nicht die Offenbarung, die ihm auftrug, Zaynab zu heiraten (siehe an anderer Stelle) unterschlagen, anstatt sie öffentlich zu machen? Aischa, die Frau des Propheten, sagte später aus, dass der Prophet, wenn er denn einen Teil des Koran hätte verheimlichen dürfen, diesen verschwiegen hätte.
Abu Talib, der Onkel des Propheten, der die Erziehung Muhammads übernahm, als dieser acht Jahre alt war, und ihn auch noch 10 Jahre nach seiner Verkündigung der Prophetenschaft beschützte, konvertierte nicht zum Islam. Der Prophet liebte seinen Onkel innig und wünschte sich sehnlichst, er möge sich doch zum Islam bekennen. Da wurde ihm folgender Vers offenbart:
Wahrlich, du kannst dem den Weg nicht weisen, den du liebst; Allah aber weist dem den Weg, dem Er will; und Er kennt jene am besten, die die Führung annehmen. (28:56)
Wenn Muhammad der Autor des Koran gewesen wäre, hätte er doch einfach behaupten können, sein Onkel habe den Islam angenommen.
Viele Verse im Koran beginnen mit den Worten Sie fragen dich:, und fahren dann - als Antwort - mit der Aufforderung Sprich! fort. Verse dieser Art wurden offenbart, um die Fragen zu beantworten, die dem Propheten von Muslimen und Nichtmuslimen, insbesondere von den Juden Medinas gestellt wurden. Diese Fragen drehten sich darum, welche Dinge rechtmäßig und welche unrechtmäßig seien, um die Verteilung der Kriegsbeute, die Laufbahn des Mondes, das Jüngste Gericht, den Dhu-l-Qarnayn,96 den Geist des Menschen usw.. Jemand, der kein allumfassendes Wissen besitzt, kann solche Fragen nicht beantworten. Die Antworten des Propheten hingegen stellten alle gleichermaßen zufrieden. Dies zeigt, dass er von Gott, dem Allwissenden, unterrichtet wurde.
Der Prophet führte ein sehr enthaltsames Leben und mied weltliche Ziele wie Ruhm, Herrschaft, Reichtum oder schöne Frauen. Außerdem musste er sich Widrigkeiten und Verfolgungen übelster Art erwehren. Zu behaupten, Muhammad habe den Koran frei erfunden, bedeutet, ihn, der in der Öffentlichkeit als Muhammad, der Vertrauenswürdige bekannt war, als den größten Lügner und Betrüger abzustempeln, den die Geschichte jemals gekannt hat. Warum hätte er denn fälschlicherweise die Prophetenschaft für sich beanspruchen sollen, wenn er doch genau damit sich selbst und seine Familie all diesen Widrigkeiten und Verfolgungen aussetzte? Eine solche Behauptung oder auch die Aussage, er selbst habe den Koran verfasst, entbehren jeder Grundlage.
Der Prophet Muhammad sah sich intensivem Widerstand seitens der Juden und Christen ausgesetzt. Schließlich musste er mehrmals gegen die Juden Medinas antreten und sie aus der Stadt vertreiben. Trotzdem erwähnt der Koran den zu den Israeliten gesandten Propheten Moses etwa 50-mal, und auch der Name Jesus wird mehrmals genannt. Der Name Muhammad hingegen fällt lediglich 4-mal. Warum sollte jemand, der zu Unrecht die Prophetenschaft für sich beansprucht, ausgerechnet die Propheten seiner Widersacher erwähnen? Kann es überhaupt einen anderen Grund als Neid, Vorurteile, Egoismus und andere negative Gefühle dafür geben, dass die Prophetenschaft Muhammads bestritten wird?
Der Koran birgt auch bestimmte Fakten der Schöpfung, die erst in jüngster Zeit durch moderne wissenschaftliche Methoden nachgewiesen wurden. Wie hätte der Koran, wenn er keine Offenbarung Gottes wäre, bei Sachverhalten exakt die Wahrheit sagen können, von denen die Leute zur Zeit seiner Offenbarung nicht die leiseste Ahnung hatten? Wäre der Koran ein ganz konventionelles Buch, hätte er doch wohl kaum einen Vers wie den folgenden enthalten können:
Haben die Ungläubigen nicht gesehen, dass die Himmel und die Erde eine Einheit waren, die Wir dann zerteilten? Und Wir machten aus dem Wasser alles Lebendige. Wollen sie denn nicht glauben? (21:30)
Die Frage, ob der Koran explizit oder implizit auf wissenschaftliche Fakten verweist, und die Problematik der Beziehung zwischen Koran und moderner Wissenschaft sind Themen, die unter muslimischen Intellektuellen kontrovers diskutiert werden; daher möchte ich diesen Punkt etwas ausführlicher behandeln.
Wissenschaft und Religion
Geschrieben von Fethullah Gülen
Mittwoch, 31 Mai 2006
Die Wissenschaft betrachtet solche Fakten als ‚wissenschaftlich', die durch empirische Methoden bewiesen wurden. Vermutungen, die noch nicht durch Beobachtungen oder Experimente untermauert wurden, können daher nur als Theorien oder Hypothesen gelten.

Die Wissenschaft kann keine gesicherten Vorhersagen über die Zukunft treffen, sie macht keine unumstößlichen Voraussagen. Die Grundlage wissenschaftlicher Forschung ist der Zweifel. Der Prophet Muhammad aber, der von Gott dem Allwissenden unterwiesen wurde, verkündete Dinge, von denen sich die meisten inzwischen als wahr herausstellten, andere noch auf ihren Beweis warten. Im Koran lassen sich viele Verse finden, die sich auf Fakten beziehen, die die Wissenschaft in jüngster Zeit ‚entdecken' konnte. Der Koran erwähnt viele wichtige Gegebenheiten in der Schöpfung und eine große Anzahl von natürlichen Phänomenen, die vor 14 Jahrhunderten nicht einmal die größten Wissenschaftler, von einem Analphabeten ganz zu schweigen, hätten kennen können. Darüber hinaus bedient sich der Koran der Wunder der Propheten, um Hinweise auf die entlegensten Punkte der Wissenschaft zu geben, denn der Allwissende Selbst schenkte dem Koran Sein Wissen.

Beinhaltet der Koran wirklich alles Wissen?

Als Buch, das den Menschen und das Universum beschreibt, beteuert der Koran:

Bei Ihm befinden sich die Schlüssel zum Verborgenen; nur Er kennt sie. Und Er weiß, was auf dem Lande ist und was im Meer. Und nicht ein Blatt fällt nieder, ohne dass Er es weiß; und kein Körnchen ist in der Finsternis der Erde und nichts Feuchtes und nichts Trockenes, das nicht in einem deutlichen Buch (verzeichnet) wäre. (6:59)

Ibn Mas'ud sagte, der Koran biete zwar Informationen zu allen Themenbereichen, wir jedoch seien nicht immer in der Lage, diese Informationen auch abzurufen. Ibn Abbas, der als Koraninterpret und Gelehrter der Umma bekannt ist, behauptete, er könne mit Hilfe des Koran sogar die Kontrolle über sein Kamel zurück gewinnen, sollte er sie einmal verlieren. Dschalal ad-Din as-Suyuti, ein prominenter Gelehrter aus dem Ägypten des 15. Jahrhunderts, war ebenfalls der Auffassung, dass der Koran alles Wissen beinhaltet.

Wie kann der Koran, ein Buch von mittlerem Umfang, das zudem häufig Gebrauch von Wiederholungen macht, alles beinhalten, was wir über das Leben, die Wissenschaft, das soziale Verhalten, die Schöpfung, Zukunft, Vergangenheit usw. wissen müssen?

Bevor wir uns an die Aufgabe machen, diese so wichtige Frage zu klären, sollten wir uns vorbereiten, um überhaupt vom Koran profitieren zu können. Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass der Koran Zeit und Raum transzendiert, alle Ebenen des Wissens gleichsam anspricht und nicht an ein bestimmtes intellektuelles Level gebunden ist. Jemand, der den Koran studiert, sollte zu allererst über einen starken Glauben an den Koran verfügen und sein Bestes tun, ihn in seinem täglichen Leben zu praktizieren. Zweitens sollte er sich bemühen, so weit es geht, allen Sünden zu widerstehen. Drittens erklärt der Koran, dass dem Menschen nichts anderes zuteil wird als das, wonach er strebt. (53:39) Daher sollte sich jemand, der vom Koran profitieren will, wie ein erfahrener Korallentaucher oder Tiefseeforscher in den ‚Ozean' des Koran stürzen und sich ohne müde zu werden und Langeweile zu empfinden bis ans Lebensende seiner Erforschung widmen. Viertens erfordert das Verstehen des Koran eine gute Beherrschung der arabischen Sprache und eine hinreichende Kenntnis der Natur- wie auch der religiösen Wissenschaften. Eine angemessene Interpretation des Koran setzt also eine Kooperation der Wissenschaftler aller Bereiche der Natur- und Sozialwissenschaften und der religiösen Gelehrten (der Experten für die Bereiche Koran, Hadith, islamisches Recht, Theologie und spirituelle Wissenschaften) voraus. Fünftens sollte sich ein Student des Koran während der Rezitation und des Studiums als exklusiv vom Koran Angesprochener verstehen. Er sollte sich darüber bewusst sein, dass der Koran direkt das Wort an seine Studenten richtet. Wenn wir also zum Beispiel die Verse, die von vergangenen Ereignissen oder den Berichten über die Propheten und ihre Völker handeln, so betrachten, als handele es sich dabei um etwas, was weit zurück liegt und uns nichts mehr zu sagen hat, können wir nicht vom Koran profitieren. Wir sollten uns immer wieder klar machen, dass der Koran uns direkt persönlich anspricht und uns dabei hilft, uns selbst näher zu kommen.

Alle Themen erhalten im Koran genau den Platz, der ihrer Natur, Bedeutung und Stellung innerhalb der Schöpfung entspricht

Der Koran enthält alles, aber nicht alles in gleichem Maße. Der Koran dient vier unterschiedlichen Zwecken: Er soll die Schöpfung und die Einheit Gottes, die Prophetenschaft und die körperliche Auferstehung beweisen und konzentriert sich auf die Anbetung Gottes und die Gerechtigkeit. Um seine Ziele zu erreichen, lenkt der Koran unsere Aufmerksamkeit auf das Handeln Gottes im Universum, auf Seine unvergleichliche Kunstfertigkeit, die sich in der Schöpfung widerspiegelt, auf die Manifestationen Seiner Namen und Attribute und auf die großartige vollkommene Ordnung und Harmonie in der Schöpfung. Außerdem erwähnt der Koran bestimmte historische Ereignisse, legt die Regeln für ein einwandfreies Verhalten und eine gute Moral im persönlichen und gesellschaftlichen Bereich fest und benennt Prinzipien für ein glückliches und harmonisches Gemeinschaftsleben. Der Koran erklärt uns, wie wir unseren Schöpfer anbeten sollen und sagt uns, was wir tun müssen, um Sein Wohlgefallen zu finden. An vielen Stellen behandelt der Koran darüber hinaus auch das Leben nach dem Tode und erläutert, wie wir ewige Glückseligkeit erlangen und uns vor ewiger Verdammnis schützen können.

Tatsächlich ist alles ihm Koran enthalten, jedoch kann nicht jeder alles in ihm erkennen, weil verschiedene Dinge auf verschiedenen Ebenen dargestellt werden. Die Hauptaufgabe des Koran besteht, wie oben erläutert, darin, uns die Fertigkeiten, besonderen Qualitäten und Handlungen Gottes sowie die Pflichten, den Status und die Angelegenheiten zu vermitteln, die zur Sphäre des Dienstes an Gott gehören. Er beinhaltet daher zwar alle Dinge, jedoch in der Form von Samen, Kernen oder Übersichten, als Prinzipien oder Zeichen. Diese werden entweder explizit oder implizit dargestellt, kommen mitunter vage als Andeutung oder Anspielung daher. Jedes Thema hat seine eigene Form, wobei im Vordergrund steht, dass den Zwecken des Koran gedient wird. Des Weiteren spielt auch der Kontext eine wichtige Rolle. Ein Beispiel:

Als Resultat des menschlichen Fortschritts auf den Gebieten Wissenschaft und Industrie wurden einige wissenschaftliche und technische Wunder wie Flugzeuge, Elektrizität, Autos, Radio und Telekommunikation Wirklichkeit und spielten fortan im materiellen Leben der Menschheit eine sehr wichtige Rolle. Da diese Entwicklung die ganze Menschheit umfasst, hat der Koran sie nicht ignoriert und geht auf zweierlei Art und Weise auf sie ein: Erstens durch die Wunder der Propheten, worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird. Zweitens in Verbindung mit bestimmten historischen Ereignissen.

Die Wunder menschlicher Zivilisation können kein Recht auf eine Benennung im Koran für sich in Anspruch nehmen, die über flüchtige Andeutungen oder unausgesprochene Hinweise und Angaben hinausgeht.

Wenn sich zum Beispiel ein von Menschenhand geschaffenes Flugzeug an den Koran wenden würde und ein Recht zu sprechen sowie einen Platz in seinen Versen beantragen würde, würde die Antwort der Flugzeuge der Sphäre Gottes - Mond, Erde und andere Planeten - im Auftrag des Koran sicherlich lauten: "Du wirst einen Platz bekommen, der deiner Größe entspricht." Wenn ein Unterseeboot nach einem Platz im Koran fragen würde, würden die Unterseeboote der Sphäre Gottes - die Himmelskörper, die im weiten ‚Ozean' der Atmosphäre ‚schwimmen', sicherlich antworten: "Dein Platz neben uns ist zu klein, um sichtbar werden zu können." Würden die den leuchtenden Sternen gleichenden Lichter ihr Recht, in den Versen erwähnt zu werden, einfordern, würden ihnen die Sternschnuppen und die Sterne, die die Himmelssilhouette schmücken, entgegnen: "Ihr habt das Recht, entsprechend eurem Licht im Koran Erwähnung zu finden." Würden die Wunder menschlicher Zivilisation einen Platz in den Versen des Koran für sich beanspruchen, weil sie glauben, ein hohes Maß an Kunstfertigkeit unter Beweis zu stellen, würde ihnen wohl eine ordinäre Fliege antworten: "Seid bitte ruhig! Ihr habt nicht mehr Recht zu sprechen als mein rechter Flügel. Denn wenn alle Künste und Werkzeuge, die die Menschen jemals erfunden haben, zusammengenommen würden, wären diese doch nicht so vorzüglich wie die Kunst und die Einzelteile, die sich in meinem winzigen Körper manifestieren. Der Koranvers Gewiss, jene, die ihr an Allahs Statt anruft, werden in keiner Weise vermögen, eine Fliege zu erschaffen, auch dann nicht, wenn sie sich dazu zusammentäten (22:73) wird euch zum Schweigen bringen."

Die Sichtweise des Koran hinsichtlich des Lebens und der Welt unterscheidet sich vollkommen von der modernen. Dem Koran zufolge ist die Welt ein Gästehaus. Der Mensch ist demnach ein Gast, der viele Pflichten hat und nur für eine kurze Zeit verweilt. Seine Aufgabe hier auf Erden ist es, sich auf das ewige Leben vorzubereiten; die Prioritäten des Menschen sollten den dringendsten und wichtigsten seiner Pflichten gelten. Da das, was vorwiegend für weltliche Zwecke geschaffen wurde und in erster Linie für diese verwendet wird, nur einen geringen Anteil am Dienst an Gott und an der Verehrung Gottes hat (bei denen ja Wahrheitsliebe und Außerweltlichkeit im Vordergrund stehen), wird es im Koran nur dann erwähnt, wenn es einen besonderen Stellenwert besitzt.

Ein weiterer Grund dafür, dass der Koran nicht alles, was dem Glück des Menschen in dieser und der nächsten Welt dient (wie z.B. Wissenschaft und Technik), ausdrücklich erwähnt, ist folgender:

Die Religion ist eine Prüfung, bei der die erhabenen von den primitiven Geistern getrennt werden. Wie Rohmaterialien, die ins Feuer geworfen werden, damit sich Diamant und Kohle oder Gold und Erde voneinander trennen, so dienen auch auf dieser Wettkampfbühne die Pflichten dem Zweck, die bewussten Wesen zu testen und in einem Wettbewerb zusammenzuführen, damit das wertvolle ‚Erz' in der ‚Mine' des menschlichen Potenzials von der Schlacke getrennt wird. Weil der Koran dem Menschen geschickt wurde, damit er sich in dieser Prüfung vervollkommnen kann, spielt er auf diejenigen zukünftigen Ereignisse in der Welt, die jeder Mensch in einem angemessenen Zeitrahmen mit eigenen Augen bezeugen kann, nur an. Der Koran öffnet sich dem Verstand nur so weit, dass der Mensch die aufgestellten Behauptungen überprüfen kann. Würden die erklärten Phänomene explizit benannt, käme dem ‚Testen' der Menschen keine Bedeutung mehr zu. Unsere Pflichten Gott gegenüber wären dann so klar ersichtlich, als wäre sie mit Sternen ans Himmelsgewölbe geschrieben worden. Niemand würde vor die Alternative gestellt, sie zu akzeptieren oder zu leugnen. Es gäbe keinen Wettbewerb, die Prüfung würde ihre Bedeutung verlieren. Eine ‚Kohle-Seele' sähe wie eine ‚Diamant-Seele' aus und wäre nicht von ihr zu unterscheiden.

Der Koran richtet sich an alle Menschen, alle Zeiten und alle Ebenen des Wissens. In jeder Gemeinschaft und zu allen Zeiten ist es das gemeine Volk, was die Mehrheit des Volkes stellt. Darum folgt der Koran, um jeden zu seiner Wahrheit und zu seinen grundlegenden Zeilen zu führen, einem Stil und einer Sprache, die allseits verständlich ist. So wie ein normaler Mensch auf dem niedrigsten erdenklichen intellektuellen Niveau vom Koran profitieren kann, kann auch der größte Wissenschaftler seinen Nutzen aus diesem Buch ziehen, egal welchem Wissenschaftszweig er angehört. Aus diesem Grunde bedient sich der Koran auch normalerweise einer symbolischen Sprache und greift häufig zu Metaphern, Allegorien, Vergleichen und Parabeln. Diejenigen aber, die ein tiefbegründetes Wissen haben (3:7) sind sich ihrerseits darüber im Klaren, wie sie sich dem Koran am besten nähern und von ihm profitieren können. Sie gelangen zu dem Schluss, dass der Koran das Wort Gottes ist.

Hätte der Koran moderne wissenschaftliche und technische Entdeckungen vorweggenommen, hätten die Menschen vorangegangener Zeitalter diese nicht verstehen können. Sie wären vom Ertrag von Versen, die sich auf diese Entdeckungen beziehen, ausgenommen gewesen. Außerdem entwickeln sich die Wissenschaften kontinuierlich weiter. Was heute noch als wahr hingestellt wird, kann schon morgen überholt sein; was wir heute noch für falsch halten, kann sich schon morgen als wahr erweisen.

Gott, der Allmächtige, hat den Menschen mit intellektuellen Fähigkeiten ausgestattet; in vielen seiner Verse drängt der Koran den Menschen, von diesen Fähigkeiten Gebrauch zu machen und Natur und Begebenheiten zu studieren. Hätte der Koran aber zum Beispiel moderne wissenschaftliche und technische Entdeckungen oder auch alles andere, was sich auf Leben, Natur, Geschichte und den Menschen selbst bezieht, genau beschrieben, würde es doch gar keinen Sinn ergeben, dass der Mensch als Muster der Schöpfung erschaffen und mit vielen intellektuellen Fähigkeiten ausgestattet wurde. Er hätte ja sonst diese Fähigkeiten gar nicht nutzen und verbessern können.

Hätte der Koran all das erwähnt, von dem wir uns wünschen, er hätte es erwähnt, wäre er ein Buch mit Hunderttausenden von Seiten. Wir wären gar nicht in der Lage, ihn vollständig zu rezitieren, um von seiner spirituellen Aufklärung profitieren zu können. Überhaupt hätten wir mit Sicherheit größte Probleme bei der Rezitation. Dies aber würde der Offenbarung des Koran und dem Zweck, den er verfolgt, widersprechen.
Das Konzept von Wissenschaft und Technik
Geschrieben von Fethullah Gülen
Mittwoch, 31 Mai 2006
Trotz aller Katastrophen, die Wissenschaft und Technik über die Menschheit gebracht haben, trotz ihrer Fehler auf der Suche nach der Wahrheit und trotz ihres Versagens beim Versuch den Menschen glücklich zu machen, dürfen wir sie nicht grundsätzlich verdammen und einen rein idealistischen Standpunkt einnehmen. Wissenschaft und Technik sind nicht allein daran schuld, dass die Menschheit an Wert verloren hat, dass die menschlichen Gefühle sich zurück entwickelt haben und dass bestimmte Tugenden, aber auch die Gesundheit und die Fähigkeit zu denken gelitten haben. Der Fehler liegt eher bei den Wissenschaftlern, die ihre Verantwortlichkeit zurückweisen, und bei jenen Wissenschaften, die sich in einer materialistischen und rein wissenschaftlichen Atmosphäre entwickelt haben und so von einer unverantwortlichen Minderheit ausgebeutet wurden. Viele Probleme wären wahrscheinlich gar nicht erst aufgetreten, wenn die Wissenschaftler ein Bewusstsein für ihre soziale Verantwortung entwickelt und sich die Wissenschaften nicht - auf Grund der Versäumnisse des Christentums - als Gegenpol zur Religion positioniert hätten.

Einer unglaublichen Flut aus Energie und Vitalität gleichend fließt die natürliche Welt der Zukunft entgegen. Manchmal nimmt sie auch die Gestalt eines schönen Gartens an. Sie ist wie ein Buch, das dem Menschen zum Studium gegeben wurde, wie eine Ausstellung, die wir betrachten können, wie ein Pfand, das uns anvertraut wurde und von dem wir profitieren dürfen. Wir Menschen stehen in der Pflicht, Bedeutung und Inhalt dieses Pfand zu studieren und es so zu verwenden, dass nicht nur wir und unsere Mitmenschen, sondern auch Menschen zukünftiger Generationen ihren Nutzen daraus ziehen können. Diese Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt können wir, wenn wir so wollen, Wissenschaft nennen.

Andere Definition von Wissenschaft lauten: Wissenschaft ist der Versuch zu verstehen, was Dinge und Vorgänge uns sagen wollen und was Gottes Gesetze des Universums uns enthüllen. Oder: Wissenschaft bedeutet, sich darum zu bemühen, die Absichten des Schöpfers zu begreifen.

Der Mensch, der erschaffen wurde um über alle Dinge zu herrschen, muss beobachten, lesen, wahrnehmen und erfassen, was um ihn herum geschieht. Danach sollte er nach einem Weg suchen, seinen Einfluss bei diesen Vorgängen geltend und sie sich untertan machen. In diesem Punkt gilt per Dekret des Schöpfers, dass sich alles dem Menschen fügen wird, solange dieser sich Gott fügt.

Es besteht kein Grund, sich vor der Wissenschaft zu fürchten. Die Gefahr liegt nicht innerhalb der Wissenschaft selbst und in der Gründung einer neuen Welt, die sich auf die Wissenschaft stützt, sondern in der Ignoranz und der Verantwortungslosigkeit der Wissenschaftler und derer, die die Wissenschaft für ihre egoistischen Interessen ausnutzen.

Wenn wahre Wissenschaft darin besteht, dass man seine Intelligenz auf die Ewigkeit richtet, ohne materiellen Gewinn zu erwarten, dass man unermüdlich seine Umwelt studiert, um die allem zu Grunde liegende absolute Wahrheit herauszufinden, und dass man den Methoden folgt, die gebraucht werden, um dieses Ziel durchzusetzen, kann sie nicht das vollbringen, was wir von ihr erwarten, solange sie diese grundlegenden Punkte vollkommen vernachlässigt. Auch wenn die Konflikte im Zeitalter der Renaissance zumeist als Konflikt zwischen Christentum und Wissenschaft dargestellt werden, waren sie doch eher Konflikte zwischen der Katholischen Kirche und Wissenschaftlern. Weder Kopernikus noch Galileo noch Bacon waren anti-religiös. Man kann sogar davon sprechen, dass ihre religiöse Verpflichtung sie dazu anspornte, die Wahrheit zu finden. Der Islam - das religiöse Denken, das seinen Ursprung in der Ewigkeit hat, die Liebe und der Eifer, die aus jenem Denken entspringen, begleitet vom Gefühl der Hilflosigkeit und Schwäche vor dem Ewigen Allmächtigen Schöpfer des Kosmos - ist das Geheimnis, das hinter dem großen, über 500 Jahre währenden wissenschaftlichen Vorsprung der islamischen Welt ab Ende des 12. Jahrhunderts steht.

Das Konzept einer Wissenschaft, die auf der Offenbarung Gottes basierte, wurde von den großartigen Persönlichkeiten jener Zeit, die ihr Augenmerk auf die Ewigkeit richteten und so ihre Umwelt aufmerksam studierten, um der Ewigkeit näher zu kommen, nahezu perfekt repräsentiert. Ihre Hingabe an die Offenbarung Gottes entzündete in den Seelen der Menschen ein Licht, das ein ganz neues Konzept der Wissenschaft hervorbrachte. Wäre dieses Konzept, das von allen Bevölkerungsschichten geschätzt und als Teil der Botschaft Gottes betrachtet wurde, nicht den entsetzlichen Invasionen der Mongolen und der erbarmungslosen Kreuzzüge zum Opfer gefallen, sähe die Welt heute ganz anders aus. Sie wäre aufgeklärter, ihr intellektuelles Leben reicher, ihre Technologien ganzheitlicher und ihre Wissenschaften viel versprechender. Das Konzept, das der Islam hervorbrachte, war eingebettet in die Hoffnung auf ewiges Leben. Es verfolgte das Ideal, dem Wohl der Menschheit zu dienen und die Dinge verantwortungsbewusst zu handhaben, um das Wohlgefallen Gottes zu erlangen.

Die Wahrheitsliebe ist es, die die Richtung wissenschaftlicher Studien vorgibt. Unter Wahrheitsliebe verstehen wir, unsere Umwelt ohne Interesse an materiellem und weltlichem Gewinn zu betrachten und sie als das zu erkennen, was sie wirklich ist. Wer mit Liebe ans Werk geht, kann die Ziele seiner Studien immer erreichen; wer jedoch von weltlichen Neigungen, materiellen Wünschen, ideologischen Vorurteilen und Fanatismus infiziert ist und keine Wahrheitsliebe aufbringen kann, wird seine Ziele verfehlen oder - schlimmer noch - die Anliegen der Wissenschaft ins Gegenteil wenden und diese zu einer tödlichen Waffe machen, die sich gegen das Potenzial der Menschlichkeit richtet. Wenn also Intellektuelle, Institutionen des Bildungswesens und Massenmedien die Aufgabe haben, dem Wohl der Menschheit zu dienen, dann sollten sie die wissenschaftlichen Studien aus der tödlich vergifteten Atmosphäre von materiellen Hoffnungen und ideologischem Fanatismus hinausführen und sie in den Dienst höherer menschlicher Werte stellen. Der erste Schritt dorthin besteht in der Befreiung der Köpfe von ideologischem Aberglauben und Fanatismus. Die Menschen müssen davor bewahrt werden, weltliche Gewinne und Vorteile als Lebenssinn zu betrachten. Nur so kann auch wahre Gedankenfreiheit erreicht werden, nur so kann eine ‚gute Wissenschaft' ins Leben gerufen werden. Die Wissenschaftler selbst sollten alles daran setzen, nicht ins Fadenkreuz berechtigter Anschuldigungen zu geraten, waren sie es doch, die über Jahrhunderte hinweg den Krieg gegen den Klerus und gegen im Namen der Religion entworfene korrupte Konzepte geführt haben und die religiöse Menschen als rückschrittlich, engstirnig und fanatisch verurteilt gemacht haben.

Es existiert kein Unterschied zwischen intellektuellem und wissenschaftlichem Despotismus, deren Triebkräfte Gewinn- oder Machtstreben oder ideologischer und ‚wissenschaftlicher' Fanatismus sind, und restriktiver Vernunft, die sich aus korrupten und verzerrten religiösen Konzepten und der Herrschaft eines Klerus ableitet. Der Islam drängt - wie zahlreichen Versen des Koran entnommen werden kann - auf das Studium der Natur, die als eine Ausstellung der Werke Gottes betrachtet wird. Der Islam besteht auf einer Reflexion über die Schöpfung und das Erschaffene; dabei soll verantwortungsvoll vorgegangen und kein Unheil in der Welt angerichtet werden. Wer sich dem Koran vorbehaltlos ohne vorgefasste Meinung nähert und ihn studiert, wird in den Genuss seiner Wahrheiten kommen; er wird erkennen, dass der Koran die Liebe zur Wissenschaft, Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Ordnung fördert. Mit dem Koran als Grundlage hat der Islam Wissen und die Nachfrage nach Wissen begründet. Mit ihnen bezweckt er, die Bedeutung der Schöpfung zu entdecken, um dem Schöpfer näher zu kommen und dem Wohl der ganzen Menschheit und der ganzen Schöpfung zu dienen. Das so entstandene und immer neu entstehende Wissen kombiniert der Islam mit dem Glauben, mit Liebe und Uneigennützigkeit. Dies beschreibt nicht nur der Koran, sondern wir erfahren es auch durch das beispielhafte Leben des Propheten und durch das vorbildliche Verhalten vieler Menschen, die den Islam mit ihren Gedanken und Taten repräsentieren.

Aus all diesen Gründen besteht überhaupt kein Grund, sich vor der Wissenschaft zu fürchten. Dass einige schlecht geplante, auf Wissen basierende Schritte gelegentlich schlechte Resultate erbringen, ist klar; klar ist aber auch, dass Unwissenheit und Unordnung immer schlechte Resultate erbringen. Anstatt sich über Wissenschaft und Technik zu beschweren, sollte man diese daher lieber so nutzen, dass sie dem Menschen nützen. In diesem simplen Satz liegt die Essenz des größten Problems der Menschheit. Es ist schlicht und einfach unmöglich, das Know-how zur Herstellung von Atom- oder Wasserstoffbomben aus den Köpfen aller Menschen zu verbannen.

In den Händen einer unverantwortlichen Minderheit kann sich die Wissenschaft unter Umständen als tödliche Waffe erweisen; trotzdem sollten wir sie mit all ihren Konsequenzen fördern, damit sie zum Aufbau einer Gesellschaft beiträgt, in der der Mensch sein Glück in dieser und in der kommenden Welt verwirklichen kann. Es wäre sinnlos, Maschinen und Fabriken zu verfluchen, denn die Maschinen werden auch weiterhin laufen und die Fabriken weiterhin in Betrieb sein. Auch Wissenschaft und Technik werden dem Menschen solange Schaden zufügen, bis Menschen, die der Wahrheit und dem Glauben verpflichtet sind, die Dinge in den Griff bekommen.

Noch erlitt die Menschheit durch die Waffe eines Engels irgendeinen Schaden. Alles, was sie je erleiden musste, ging von Menschen aus, die glaubten, Macht sei gleichbedeutend mit Recht. Diese Situation wird sich auch in Zukunft erst dann verändern, wenn der Mensch eine Welt hervorbringt, in der Glaube und Wissenschaft gleichberechtigt kooperieren.

Enthält der Koran Hinweise auf wissenschaftliche Errungenschaften?

Bevor wir diese Frage beantworten, sollten wir Folgendes betonen: Wie falsch es auch sein mag, Religion und Wissenschaft als einander entgegengesetzt zu betrachten und die wissenschaftliche Forschung für unabhängig und getrennt vom Koran zu halten, ist es doch genauso abwegig, den Koran als rein wissenschaftliches Buch zu bezeichnen und jede neue wissenschaftliche Theorie als mit diesem Buch kompatibel zu bezeichnen.

Einige Muslime vor allem in der Türkei haben jüngst die Dabbat al-Ard, die Kriechtiere der Erde, von denen in Sure 27:82 des Koran die Rede ist, als das Virus identifiziert, das die tödliche Immunschwäche AIDS verursacht. Diese Diagnose kommt jedoch ein wenig verfrüht: Zunächst einmal schweigt sich der Koran über die Beschaffenheit der Dabbat aus. Wenn wir aber davon ausgehen, dass mitden Dabbat wirklich das AIDS-Virus gemeint ist, dann könnten wir genauso gut die Bakterien oder Viren, die tödliche Krankheiten wie z.B. die Syphilis hervorrufen, als Dabbat akzeptieren. Außerdem wissen wir nicht, ob nicht in Zukunft neue durch Viren ausgelöste, vielleicht noch tödlichere Krankheiten als AIDS auf den Plan treten werden. Der Kontext, in dem die Dabbat al-Ard im Koran erwähnt werden, legt nahe, dass diese ‚Kriechtiere' erst dann auftauchen werden, wenn die Welt kurz vor ihrer endgültige Zerstörung steht und kaum noch jemand an Gott glaubt. Wir sollten also nicht überhastet nach Übereinstimmungen zwischen Koranversen und neuen Entdeckungen im Bereich Wissenschaft und Technik suchen.

Wissenschaftliche Theorien ähneln oft Kleidungsstücken, die, nachdem sie eine Zeit lang getragen wurden, abgetragen sind und ausrangiert werden. Jedes wissenschaftliche Faktum daraufhin abzuklopfen, ob es vom Koran vorausgesagt wurde, deutet auf einen Minderwertigkeitskomplex hin und heißt, der Wissenschaft eine größere Priorität einzuräumen als dem Koran. Jeder Vers und jeder Ausdruck im Koran steht in einem universellen Kontext und spricht - für alle Zeiten gültig - jede Lernebene der Menschheit an: Jede Interpretation, die in der Geschichte der Menschheit getätigt wurde, zeigt nur einen einzigen Aspekt jenes universellen Kontexts. Jeder, der sich um eine Deutung des Koran bemüht, jeder Wissenschaftler und jeder Gnostiker, der sich auf seine spirituellen Erkenntnisse oder auf Intuition, auf Beweise, die er erhält, oder auf seine natürliche Begabung beruft, bevorzugt einen anderen Aspekt. Daneben akzeptieren wir die Physik Newtons und die Physik Einsteins als wissenschaftlich und damit als wahr.

Obwohl beide falsch sein könnten, befindet sich in beiden mit Sicherheit ein Stückchen Wahrheit. Die Ursächlichkeit ist ein Schleier, den Gott, der Allmächtige, über den schnellen Fluss des Seins geworfen hat, damit wir unser Leben bis zu einem gewissen Maße planen können. Daher sind sowohl die Physik Newtons als auch die Physik Einsteins als ‚relativ' wahr einzustufen. Während wir also über die Verse des Koran nachdenken, sollten wir die relativen Wahrheiten in der Schöpfung und in unserem Leben berücksichtigen. Diese sind nämlich viel zahlreicher als die absoluten Wahrheiten.

Die im Koran verwandten Ausdrücke haben unterschiedliche Bedeutungen. Ein gutes Beispiel hierfür bieten folgende Verse:

Er hat den beiden Gewässern, die einander begegnen, freien Lauf gelassen. Zwischen ihnen steht eine Scheidewand, sodass sie nicht ineinander übergreifen. (55:19-20)

Hier findet sich ein Hinweis auf alle Paare von ‚Gewässern' oder Sphären - spirituelle und materielle, symbolische und wirkliche, von den Sphären der Herrschaft und der Dienerschaft bis zu den Sphären der Notwendigkeit und der Zufälligkeit, von dieser Welt bis zum Jenseits. Darin enthalten sind die sichtbare körperliche Welt und die Welt des Unsichtbaren, der Pazifik und der Atlantik, das Mittelmeer und das Rote Meer, Salzwasser und Süßwasser in den Meeren und unter der Erde, große Süßwasserflüsse wie Euphrat und Tigris und die salzigen Meere, in die sie münden. All diese und andere, die ich hier nicht alle aufzählen kann, stehen entweder im wörtlichen oder im bildlichen Sinne im Kontext des oben erwähnten Koranverses. Selbst wenn wir also der Auffassung sind, dass ein Vers oder ein Ausdruck des Koran eindeutig auf eine bewiesene wissenschaftliche Tatsache hinweist, sollten wir deren Bedeutung nicht auf jene Tatsache beschränken, sondern alle möglichen Bedeutungen und Interpretationsmöglichkeiten in Betracht ziehen.

Wie dem auch sei, dies heißt natürlich nicht, dass der Koran überhaupt nicht auf wissenschaftliche Fortschritte und Fakten verweist. Da der Koran die Offenbarung Gottes ist, die alles - ob zu Wasser oder zu Land (6:59) - beinhaltet, wird er auch wissenschaftliche Fortschritte und Fakten ganz bestimmt nicht ausklammern. Der Koran wird mit Sicherheit direkt oder indirekt auf solche Entwicklungen hindeuten, allerdings nicht so, wie es die Wissenschaft und die materialistische oder die naturalistische Philosophie tun. Er ist kein wissenschaftliches Buch, das in aller Ausführlichkeit von kosmologischen oder wissenschaftlichen Dingen spricht. Er stellt die ewige Interpretation des Buches des Universums dar. Er ist ein Deuter der Wissenschaften, der sich mit den Erscheinungen der Schöpfung beschäftigt. Er kommentiert die sichtbaren und die unsichtbaren Welten und enthüllt uns die Schätze der Namen Gottes in den Himmeln und auf der Erde. Der Koran ist der Schlüssel, mit dem sich versteckte Wirklichkeiten hinter den Vorgängen, die sich in der Umwelt und im Leben des Menschen abspielen, erschließen lassen. Er ist die Zunge der verborgenen Welt, die in der manifesten Welt spricht. Er ist die Sonne, die am spirituellen und intellektuellen Himmel des Islam scheint. Er ist die heilige Landkarte der kommenden Welt. Er erklärt uns die Eigenschaften, Namen und Handlungen Gottes und erzieht uns, indem er uns zur Wahrheit und zur Rechtschaffenheit führt. Der Koran ist ein Buch der Gerechtigkeit und der Weisheit, ein Buch der Gebote und der Verbote Gottes, ein Buch, das alles enthält, was der Mensch benötigt, um seine spirituellen und intellektuellen Bedürfnisse zu befriedigen. In der ganzen Welt der Theologie, der Sozialwissenschaften, der Politik und auch der Naturwissenschaft existiert kein Problem, mit dem der Koran sich nicht kurz oder im Detail, direkt oder andeutungsweise beschäftigt.

Der Koran betrachtet die Schöpfung nicht aus einem Selbstzweck heraus, sondern im Auftrag seines Schöpfers. Die Wissenschaft dagegen wendet sich vor allem an diejenigen, die Spezialisten auf dem jeweiligen Gebiet sind, ganz davon abgesehen, dass sie die Schöpfung nur für ihre eigenen Zwecke vereinnahmt. Der Koran wendet sich an die ganze Menschheit und benutzt deshalb die Schöpfung als Beweis, um die Menschheit zu leiten. Da die gewöhnlichen Menschen auf der Welt in der Mehrzahl sind, sollten Beweise manifest und gut erkennbar sein, damit sie auch für einfache Menschen leicht verständlich sind. Eine Orientierung für solche Menschen verlangt, dass unwichtigere Dinge nur kurz angesprochen werden und wichtige Punkte in Form von Parabeln und Vergleichen erläutert werden. Um die Menschen nicht zu verwirren, sollten Dinge, die ganz offensichtlich niemandem nutzen oder schaden, so belassen werden, wie sie sind.

Wie für alle anderen Dinge in der Schöpfung auch, liegen die Quellen der Wissenschaften in einem der ausgezeichneten Namen Gottes, des Allmächtigen. Der Name ‚der Heilende' erhellt die Medizin; Geometrie und Technik basieren auf den Namen ‚der Gerechte', ‚der Gestaltende' und ‚der Versöhnende'; die Philosophie spiegelt den Namen ‚der Weise' wider usw.. Wie bereits erwähnt wurde, hat der Schöpfer in Seinem Buch über alles, was Er dem Menschen zu lernen erlaubt hat, Auskunft erteilt. Mit dem Heiligen Koran hat Gott dem Menschen ein Werkzeug für spirituellen und materiellen Fortschritt in die Hand gegeben. Weil es zu den Hauptanliegen des Koran gehört, Gott dem Menschen vorzustellen und bekannt zu machen, den Weg zu Glauben und Verehrung zu ebnen, das individuelle und soziale Leben der Menschen zu organisieren und ihnen so vollkommenes Glück in dieser und der kommenden Welt zu bescheren, finden die wissenschaftlichen Fakten in dem Buch genau wie alle anderen Dinge und Vorgänge Erwähnung entsprechend ihrer Bedeutung. Mit anderen Worten: Je wichtiger etwas für den Menschen ist, desto ausführlicher wird es besprochen. Den Säulen des Glaubens, den Fundamenten der Religion, den Grundlagen des menschlichen Lebens und den Geboten zur Anbetung Gottes wird viel Platz eingeräumt, andere unwichtigere Dinge werden dagegen nur am Rande erwähnt. Die Bedeutung eines Koranverses lässt sich mit einer Rosenknospe vergleichen: Sie liegt unter übereinander liegenden Schichten von Blättern verborgen. Mit jeder Schicht, die abfällt, enthüllt sich uns eine neue Bedeutung. Jeder Mensch erkennt je nach seinen Fähigkeiten eine oder mehrere dieser Bedeutungen und ist mit dem, was er erhält, zufrieden.

Beispiele für Hinweise des Koran auf wissenschaftliche Fakten und Entwicklungen

Der Koran verweist auf technologische Fortschritte und markiert das Ende der Entwicklung, indem er die Wunder der Propheten auflistet. Daneben hält er jedoch auch noch viele weitere Methoden bereit, um bestimmte Dinge anzusprechen. Er ermutigt den Menschen zu fliegen und spielt implizit auf den Umstand an, dass der Mensch irgendwann in der Lage sein wird, Flugzeuge und Raumschiffe zu bauen:

Und Salomo (machten Wir) den Wind (dienstbar); sein Herweg dauerte einen Monat, und sein Hinweg dauerte einen Monat. (34:12)

Er lädt den Menschen außerdem dazu ein, ein Heilmittel für alle existierenden Krankheiten zu finden:

...und ich heile den Blindgeborenen und den Aussätzigen und mache die Toten mit Allahs Erlaubnis lebendig. (3:49)

Er gibt uns die Hoffnung, dass wir, die Menschen, eines Tages alle Krankheiten besiegen können und lässt uns glauben, dass wir nicht mehr länger dem Tod ausgeliefert sind. Mit dem Vers

Da sprach einer, der Kenntnis von der Schrift besaß: „Ich bringe ihn (den Thron der Königin des Jemens) dir (Salomo in Jerusalem) innerhalb eines Augenzwinkerns von dir" (27:40)

nimmt der Koran vorweg, dass Bilder oder sogar Körper in der Zukunft durch das Wissen des Heiligen Buches des Universums innerhalb eines Augenblicks von einem Ort zum anderen geschickt werden können. Auch wird ein Mensch, der das Wissen des Buches der Offenbarung Gottes besitzt, in extrem kurzer Zeit Dinge aus einer großen Entfernung herbeischaffen können. Weiterhin informiert uns der Koran mit Hilfe von Symbolen darüber, dass es möglich sein wird, einen Mörder anhand einer Zellprobe, die dem von ihm Getöteten entnommen wird, zu überführen, indem er uns berichtet, dass der Mörder einer Person zu Zeiten des Propheten Moses mit einem Körperteil einer Kuh, die das Volk Israel auf Befehl Gottes schlachten musste, geschlagen und so entlarvt wurde. (2:67-73)

Und es lassen sich durchaus zahlreiche weitere Beispiele für Hinweise des Koran auf wissenschaftliche Fakten und Entwicklungen finden:

Der Schöpfer, der vom Beginn bis über das Ende der Zeit hinaus alles sieht und alles weiß, macht uns darauf aufmerksam, dass die Zukunft im allgemeinen Sinne dem Wissen und der Information gehören wird. Als natürliche Konsequenz daraus ergibt sich, dass auch ein Zeitalter des Glaubens anbrechen wird.

Wir werden sie Unsere Zeichen überall auf Erden und an ihnen selbst sehen lassen, damit ihnen deutlich wird, dass es die Wahrheit ist. Genügt es denn nicht, dass dein Herr Zeuge aller Dinge ist? (41:53)

Seit der Frühzeit des Islam haben die Sufis die Botschaft dieses Verses akzeptiert und sie als ein Zeichen und eine Bestätigung der spirituellen Weisheit, für die sie kämpften, rezitiert. Liest man den Vers aber, während man sich gleichzeitig den wissenschaftlichen Fortschritt seit der Offenbarung des Koran vor Augen hält, wird man das bloße Vorhandensein dieses Verses als ein Wunder empfinden. Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass der Prozess der wissenschaftlichen Entwicklung von muslimischen Gelehrten und Wissenschaftlern initiiert und vorangetrieben wurde.

Alles, was innerhalb des Bereiches menschlichen Denkens und menschlicher Forschung liegt, muss zwangsläufig die Existenz und die Einheit des Schöpfers umso mehr bestätigen, je weiter die wahre Beschaffenheit und die Beziehungen des Mikro- und des Makrokosmos untereinander erforscht und je besser diese Dinge verstanden werden. Schauen wir uns die unzähligen Bücher zu diesem Thema an, kommen wir zu dem Schluss, dass das, was Gott uns offenbart hat, so gut wie als wahr bewiesen wurde. Auch heute schon fühlen wir, dass wir in Kürze Stimmen vernehmen und verstehen werden, die Gott, den Allmächtigen, den Einzigartigen Schöpfer und Lenker des Universums, mit Tausenden von Zungen preisen werden:

Die sieben Himmel und die Erde und alle darin lobpreisen Ihn; und es gibt nichts, was Seine Herrlichkeit nicht preist; ihr aber versteht deren Lobpreisung nicht. Wahrlich, Er ist nachsichtig, verzeihend. (17:44)

Schon das, was wir heute von der Bedeutung dieses Verses verstehen, ist nicht zu leugnen. Die kleinsten Atome sprechen genauso zu uns wie die Nebel im Weltraum in der Sprache ihres Seins von der Unterwerfung unter den Einen Gott, den sie verehren. Die Zahl der Menschen, die in der Lage sind, diesen universellen Lobpreis Gottes zu hören und zu verstehen, ist jedoch noch gering.

Auch was der Koran uns über die Entstehung und die Entwicklungsphasen des Embryos im Uterus sagt, ist bemerkenswert:

O ihr Menschen, wenn ihr über die Auferstehung im Zweifel seid, so (bedenkt,) dass Wir euch aus Erde erschaffen haben, dann aus einem Samentropfen, dann aus einem Blutklumpen, dann aus einem Klumpen Fleisch, teils geformt und teils ungeformt, auf dass Wir es euch deutlich machen. (22:5)

In einem anderen Vers wird die Entwicklung noch ausführlicher beschrieben und die einzelnen Phasen werden noch deutlicher hervorgehoben:

Und wahrlich, Wir erschufen den Menschen aus einer Substanz aus Lehm. Alsdann setzten Wir ihn als Samentropfen an eine sichere Ruhestätte. Dann bildeten Wir den Tropfen zu einem Blutklumpen; dann bildeten Wir den Blutklumpen zu einem Fleischklumpen; dann bildeten Wir aus dem Fleischklumpen Knochen; dann bekleideten Wir die Knochen mit Fleisch; dann entwickelten Wir es zu einer anderen Schöpfung. (23:12-14)

l Was der Koran über die Milch und den Prozess der Gewinnung von Milch gesagt hat, ist genauso brillant und erstaunlich wie das Getränk selbst:

Wahrlich, auch am Vieh habt ihr eine Lehre. Wir geben euch von dem zu trinken, was in ihren Leibern (ist): Zwischen Kot und Blut (ist) in der Mitte Milch, die denen lauter (und) angenehm ist, die sie trinken. (16:66)

Der Koran beschreibt den Prozess in erstaunlicher Detailfreude: die teilweise Verdauung der aufgenommenen Nahrung, ihre Absorption; anschließend ein zweiter Prozess und ihre Veredelung in den Drüsen. Milch ist eine rundum positive Nahrung für den Menschen. Und doch scheidet ihr Lieferant sie als nutzlose Substanz aus.

Der Koran hat uns offenbart, dass alle Dinge in der Natur paarweise geschaffen werden:

Preis (sei) Ihm, der die Arten alle paarweise geschaffen hat, von dem, was die Erde sprießen lässt, und von ihnen selber und von dem, was sie nicht kennen. (36:36)

Alle Körper treten in Paaren auf. Jeder Körper hat sein Gegenstück, das ihm entweder entgegengesetzt ist oder ihn ergänzt. Das ergänzende Wesen der Geschlechter sowohl bei Mensch und Tier als auch bei bestimmten Pflanzen ist uns seit langem bekannt, was aber gilt für die Paare in allen Körpern, von dem‚ was sie nicht kennen? Dies könnte auf eine ganze Reihe von Einheiten - lebenden wie auch leblosen - verweisen. In den feinen Kräften und Prinzipien in der Natur gibt es viele Arten von lebenden und leblosen Paaren. Alle Körper von den Atomen bis zu den Wolken kommen, wie uns unsere modernsten Instrumente bestätigen können, paarweise vor.

Der Koran erzählt in seiner einzigartigen Ausdrucksweise von der Erschaffung der Welt und ihrer Lebensformen:

Haben die Ungläubigen nicht gesehen, dass die Himmel und die Erde eine Einheit waren, die Wir dann zerteilten? Und Wir machten aus dem Wasser alles Lebendige. Wollen sie denn nicht glauben? (21:30)

Die Schilderung im Koran ist unzweideutig und klar und sollte nicht mit den unterschiedlichen Hypothesen verwechselt werden, die sich um die Frage ranken, ob das erste in der Schöpfung vorkommende Material ein Äther, eine große Wolke, ein riesiger Nebel, eine Masse heißen Gases oder etwas anderes war. Der Koran hat außerdem erläutert, dass jedes lebende Wesen aus Wasser erschaffen wurde. Die Schrift beschäftigt sich aber nicht mit der Frage, ob diese einzige Quelle des Lebens ein Resultat von Gasen ist, die zunächst aus der Erde hochstiegen, später kondensierten, als Regen zu ihr zurückkehrten und Seen bildeten, die wiederum einen geeigneten Nährboden für die Bildung menschlichen Lebens darstellten, oder ob die Entstehung des Lebens auf andere Weise stattfand. Der Koranvers präsentiert uns das Universum ausdrücklich und unmissverständlich als ein Wunder der Schöpfung. Alles, was sich im Universum befindet, ist ein integraler Teil jenes Wunders und trägt Zeichen in sich, die dies überprüfen lassen. Alles ist miteinander verwoben wie die Blätter in massiven Bäumen, die unterschiedlich aber doch gleich sind und alle auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen. Der Vers betont natürlich auch die Vitalität und die Bedeutung des Wassers, das drei Viertel der Masse der meisten Lebewesen ausmacht.

Die Sonne besitzt in der Schöpfung einen bestimmten wichtigen Platz. Der Koran enthüllt den wichtigsten Aspekt dieser Tatsache in nur vier Worten der arabischen Sprache, deren volle Bedeutung nicht so einfach wiederzugeben ist:

Und die Sonne eilt dem ihr gesetzten Ziel zu. Das ist die Anordnung des Erhabenen, des Allwissenden. (36:38)

Das arabische Wort mustaqarr könnte hier eine feststehende Bahn im Weltraum bezeichnen, genauso wäre aber auch denkbar, es mit ‚fester Ruheplatz' oder ‚Wohnort' oder ‚bestimmte Zeitroute' zu übersetzen. Wir lernen mit diesem Vers nicht nur, dass sich die Sonne auf einer bestimmten Bahn bewegt, sondern auch, dass sie einen bestimmten Punkt im Universum anstrebt. Das Sonnensystem (die Sonne und die von ihr abhängigen Planeten und Satelliten) wie wir es kennen, bewegt sich mit atemberaubender Geschwindigkeit auf das Sternbild Lyra zu. Mit jeder Sekunde nähern wir uns jenem Sternbild mit ca. 10 Meilen pro Sekunde, d.h. mit ca. einer Million Meilen pro Tag.97 Wir erfahren auch, dass sich die Sonne, wenn sie erst einmal ihren Bestimmungsort erreicht hat, dort festsetzen und zur Ruhe kommen wird.

Der Reichtum des Koran ist so groß, dass mit nur wenigen Worten unendlich viele Wahrheiten verkündet werden. Hier werden mit nur vier Worten viele Dinge erläutert, die uns bislang nur vage bekannt sind. Dies alles offenbarte uns der Koran vor 14 Jahrhunderten, zu einer Zeit also, als die Menschen noch glaubten, die Sonne kreise täglich einmal um die Erde.

Eine andere inspirierende und ausdrucksstarke Äußerung im Koran betrifft die Ausdehnung oder Expansion des Universums im Raum. Auch hier benutzt das arabische Original des Koran vier Worte:

Und den Himmel haben Wir mit (Unserer) Kraft erbaut; und siehe, wie Wir ihn reichlich geweitet haben. (51:47-48)

Dieser Vers enthüllt uns, dass die Distanz (der Raum) zwischen den Himmelskörpern größer wird, dass sich das Universum ausdehnt. 1922 behauptete der Astronom Hubble, dass sich alle Galaxien außer den fünf der Erde am nächsten liegenden mit einer Geschwindigkeit, die direkt proportional zu ihrer Distanz zur Erde ist, in den Raum hinein bewegen. Hubble zufolge wandert eine Galaxie in einer Entfernung von einer Million Lichtjahren mit einer Geschwindigkeit von 168 km/Jahr, eine zwei Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie mit der doppelten Geschwindigkeit usw.. Le Maitre, ein belgischer Mathematiker und Priester verfocht und entwickelte später die These, dass sich das Universum ausdehnt. Wie auch immer die Menschen diese Wirklichkeit ausdrücken mögen, ob durch den Koeffizienten Hubbles oder (in der Zukunft) durch ein andere Theorie, die Offenbarung ist unmissverständlich klar, da sie die Wirklichkeit selbst berücksichtigt.

Wir bekommen im Koran einige Hinweise auf die unsichtbare Arbeitsweise der - wie wir sie nennen - Gesetze der Physik: Anziehung und Abstoßung, Umdrehung und Umwälzung:

Allah ist es, der die Himmel, die ihr sehen könnt, ohne Stützpfeiler emporgehoben hat. (13:2)

Die Himmelskörper von den individuellen Satelliten bis hin zu vollständigen Sonnensystemen bewegen sich in Gleichmäßigkeit und Harmonie. In dieser Anordnung gehalten und unterstützt werden sie durch Säulen, die wir Menschen aber nicht sehen können. Einige dieser Säulen sind Abstoßung und Zentrifugalkraft:

Und Er hält den Himmel zurück, damit er nicht auf die Erde fällt, es sei denn mit Seiner Erlaubnis. (22:65)

Diesem Vers können wir entnehmen, dass die Himmelskörper jederzeit über der Erde zusammenbrechen könnten, wenn der Allmächtige das nicht verhindern würde. Außerdem finden wir hier ein gutes Beispiel für den Gehorsam, den das Universum Gottes Worten erweist. Genau dieser Gehorsam wird in der modernen Wissenschaft als Balance zwischen zentripetalen und zentrifugalen Kräften bezeichnet. Wichtiger als die Frage, ob wir nun der Theorie Einsteins oder Newtons zur Erklärung dieses Gehorsams Glauben schenken, ist aber, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf den Gehorsam und auf die Gnade Gottes selbst richten, durch die das Universum in seiner verlässlichen Bewegung gehalten wird.

l Im Koran gibt es einen Vers, den einige Kommentatoren als eine Referenz an die Raumfahrt zum Mond bezeichnet haben. Zur Zeit der Offenbarung des Koran lag diese Option noch in sehr weiter Ferne. Erst vor vergleichsweise kurzer Zeit gewann sie an Aktualität.

...und bei dem Mond, wenn er voll wird, dass ihr sicherlich von einem Zustand (der Not) in den anderen versetzt werdet. (84:18-19)

Frühere Kommentatoren verstanden diesen Vers noch ganz anders. Sie deuteten ihn als Bild, welches auf das spirituelle Leben des Menschen verweist, und als Aufstieg von einer Stufe zur nächst höheren, von einem Himmel zum nächsten. Andere interpretierten den Vers ganz allgemein als Hinweis auf den Wechsel von einer Stufe auf eine andere. Im Laufe der Zeit suchten spätere Koraninterpreten den Sinn in weitschweifigen Umschreibungen, denn die wörtliche Bedeutung des Verses stimmte nicht mit ihren gesicherten Erfahrungen bezüglich der Überwindung von Distanzen so großen Ausmaßes überein. Je näher man jedoch dem direkten Wortsinn dieses Eides („Ich schwöre bei dem Mond!") folgt, desto näher kommt man - ob wörtlich oder bildlich - der Reise zum Mond.

Die Stellen im Koran zur geographischen Gestalt der Erde und zur Veränderung dieser Gestalt sind besonders interessant:

Sehen sie denn nicht, dass Wir über das Land kommen und es an seinen Enden schmälern? Können sie denn siegen? (21:44)

Der Hinweis auf das Schrumpfen ihrer Grenzen könnte sich auf die heute bekannte Tatsache beziehen, dass die Erde an den Polen zusammengepresst ist, und nicht auf die Erosion der Berge durch Wind und Regen oder auf die Meeresküsten oder auf die Beeinträchtigung der vom Menschen kultivierten Ländereien durch die Wüste.

In einer Zeit, in der die Menschen glaubten, die Erde sei flach und unveränderlich, teilte uns der Koran gleich in mehreren Versen klar und deutlich oder durch versteckte Hinweise mit, dass sie in Wirklichkeit rund ist. Unerwarteter als diese Aussage kommt für uns heute aber die These, die Erde gleiche eher einem Straußenei als einer Kugel:

Und danach gab Er der Erde das Aussehen eines Eies. Aus ihr brachte Er ihr Wasser und ihr Weideland hervor. (79:30-32)

Das arabische Verb daha bedeutet ‚die Gestalt eines Eies verleihen', die daraus abgeleitete substantivische Form dahia wird auch heute noch zur Bezeichnung eines Eies gebraucht. Weil der wissenschaftliche Stand damals der wörtlichen Bedeutung des Verses zu widersprechen schien, haben einige Koraninterpreten diesen falsch gedeutet und das Wort als ‚ausbreiten' interpretiert.98 Als Grund dafür darf man geltend machen, dass in früheren Zeiten der wörtliche Sinn nicht akzeptabel erschien und die Koraninterpreten fürchteten, der Vers könne missverstanden werden. Natürlich haben moderne Instrumente in jüngster Zeit den Beweis erbracht, dass die Erde wirklich eher einem Ei ähnelt, weil es um die Pole herum eine leichte Abflachung und um den Äquator eine leichte Krümmung gibt.

l Schauen wir uns zuletzt noch einmal an, was der Koran über die Sonne und den Mond aussagt:

Und Wir machten die Nacht und den Tag zu zwei Zeichen, indem Wir das Zeichen der Nacht gelöscht haben, und das Zeichen des Tages haben Wir sichtbar gemacht. (17:12)

Ibn Abbas zufolge weist das Zeichen der Nacht auf den Mond, das Zeichen des Tages auf die Sonne hin. Den Worten Und Wir löschten das Zeichen der Nacht aus entnehmen wir, dass der Mond einst ebenso helles Licht wie die Sonne ausstrahlte, dass Gott ihm dann aber das Licht genommen und ihn dazu verurteilt hat, sein Licht zu verdunkeln. Während der Vers die Vergangenheit des Mondes wiedergibt, trifft er auch eine Vorhersage über das zukünftige Schicksal anderer Himmelskörper.

Im Koran stehen noch viele weitere Verse wie diese, die sich auf wissenschaftliche Fakten beziehen. Die Existenz dieser Verse gibt uns darüber Aufschluss, dass die Suche der Menschheit nach Erkenntnis ein Teil der Gnade ist, die uns der Schöpfer gewährt. ‚Gnade Gottes' ist einer der Namen, die sich der Koran selbst verleiht; alles, was er an Weisheit und Wissen beinhaltet, liegt jenseits dessen, was der Mensch zu lernen im Stande ist. Trotz allem dürfen wir nicht vergessen, dass der Koran zwar Hinweise auf viele wissenschaftliche Fakten enthält, aber dennoch nicht als ein Buch der Wissenschaft oder der wissenschaftlichen Erklärungen missverstanden werden darf. Er ist - und wurde auch in allen Epochen als solches verstanden - ein Buch der Orientierung, das der Menschheit den Weg zum richtigen Glauben und zum rechtmäßigen Handeln weist, damit wir uns der Gnade und Barmherzigkeit Gottes würdig zeigen können. In den Verantwortungsbereich der Muslime fällt es sicherzustellen, dass die Beschäftigung mit Wissen, Wissenschaft und ähnlichen Disziplinen im Licht des Koran erfolgt, der diese Disziplinen dann auch anerkennt und unterstützt, und nicht im Licht der Arroganz, der Überheblichkeit und der Wichtigtuerei. Denn Eigenschaften wie diese entwürdigen nicht nur den Menschen und seinen Geist, sondern auch die Erde, die wir doch nur mit der Genehmigung Gottes vorübergehend bewohnen und als Treuhandgut verwalten dürfen.

Mit freundlichen Grüßen,

Nureddin Öztas