Dienstag, 14. Oktober 2008

Zum Abschluß

Sure 110: Die Hilfe
Sure 111: Verderben
Sure 112: Die Reinigung
Sure 113: Das Morgengrauen
Sure 114: Die Menschen

Am Ende des Korans stehen zwei Segenswünsche und entlassen den Leser wie durch die Säulenpfosten eines großen Ausgangstores hinaus in die Welt. Sie sind parallel gestaltet und beginnen jeweils mit dem Anruf Ich nehme meine Zuflucht.

Ich nehme meine Zuflucht zum Herrn des Morgengrauens.
Sure 113, Vers 1

Ich nehme meine Zuflucht zum Herrn der Menschen.
Sure 114, Vers 1

Der Schutz, unter den diese Segenswünsche den Menschen stellen, bezieht sich in Sure 113 zunächst allgemein auf das Übel dessen, das er erschaffen, dann auf das Übel der Nacht, und das Übel eines finsteren Zaubers, symbolisiert durch die Knotenbläserinnen. In der letzten Sure 114 wird Schutz vor dem Einflüsterer gesucht, dem Teufel, der böse Gedanken in die Herzen der Menschen einfließen läßt.

Mohammed, dem alle Wahrsagerei und Zauberei gerade so verhaßt waren, wie den Propheten der Bibel, hat es gestattet, daß man die beiden letzten Suren unter Handauflegung rezitiert, um Krankheiten zu heilen. Möglicherweise sind sie das letzte, was er in seinem irdischen Leben gehört hat, denn auch Aischa hat nach der Überlieferung die beiden Suren in ihre Hände hinein gesprochen und mit diesen Händen dann den sterbenden Leib des Propheten bestrichen.

Henning sagt, die beiden Suren würden auch als Amulette getragen, das ist gut vorstellbar. In jedem Fall bilden sie einen würdigen Abschluß dieses großen Buches und entlassen den Leser ähnlich einem Kirchenbesucher mit einer segnenden Schutzformel.

Der Christ ist allerdings, wenn er nicht ganz geduldig war, bereits drei Suren vor Schluß gewissermaßen durch eine Seitentür an die frische Luft entlassen worden. In der Sure 112 wird noch einmal kurz und bündig klargestellt, was Islam und Christentum trennt:

Sprich: Er ist der eine Gott
Der ewige Gott; er zeugt nicht
und wird nicht gezeugt,
und keiner ist ihm gleich.
(Sure 112)

Das macht den Unterschied deutlich, kurz und hart. Kein Sohn, kein Messias Jesus mit göttlichen Zügen. Die Kernaussage er zeugt nicht und wird nicht gezeugt lautet in meiner arabischen Transkription:

lam yalid wa lam yuladu

Der Konsonantenstamm Y-L-D, aus dem die beiden Worte yalid und yuladu gebildet sind, steht auch im Hebräischen für erzeugen und gebären. Und so klingt eines der Gegenstücke der Bibel, die in ihrer Aussage genau entgegengesetzte Messias-Prophezeiung des Propheten Jesaja in Kapitel 9, Vers 5. ganz ähnlich:

ki yeled yuled l'anu

Wörtlich: denn ein Erzeugter ist gezeugt für uns. Luther übersetzt: ein Kind ist uns geboren. Der Vers fährt fort ein Sohn ist uns gegeben, ... und sein Name wird sein Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst. Ein Menschensohn mit göttlichen Attributen. Daran halten wir als Christen fest, das trennt uns vielleicht am stärksten von den Moslems.

Aber vielleicht können die beiden Sätze am Ende so stehenbleiben, ohne Bitterkeit zu hinterlassen - ein eigenartiger Gleichklang der Worte bei widersprüchlicher Gedanken. Und wenn es also frische Luft ist, in die der Christ am Ende des Lesens entlassen wird, dann ist es eine Luft, die er mit dem moslemischen Leser teilt und gemeinsam mit ihm einatmet. Beide wissen sie ja um das Übel dessen, was er erschaffen, beide kennen die Gefahren dieser Welt. Und beide wissen auch von einer Zuflucht.

Das könnte uns mehr zusammenbringen als daß es uns trennt. Und dann könnte es uns am Ende dazu anhalten, daß wir, wie es Sure 103 sagt, einander zur Wahrheit mahnen und zur Geduld.

1 Kommentar:

Nureddin Öztas hat gesagt…

Lieber herr Runkel,
herzlichen Glückwunsch! Sie haben den Koran zu Ende gelesen und ein würdiges Resume gezogen. Ihre Wünsche bestätige ich und hoffe, daß auf dem Pfade des Dialoges viel Versöhnung und Toleranz geschieht. Die Welt braucht die Allianz der Gläubigen gegen das Üble in der Welt.
Ich habe zum Schluss nochmal eine Zusammenfassung von Gülen über den Koran vorbereitet:

Abgestimmt auf den Wert und die Bedeutung der Menschheit und unter Berücksichtigung von Herz, Geist, Verstand und physischer Gestalt des Menschen kam der Koran vom Höchsten der Hohen hinab. Dieses Werk, das die vollkommensten Botschaften in sich birgt, ist eine Sammlung der Gesetze Gottes.

***

Über eine Milliarde Menschen folgen heute diesem einzigartigen Buch, das uns mit seinen ewigen und unabänderlichen Prinzipien den kürzesten und am hellsten erleuchteten Weg zum Glück weist.

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Der Koran war allen großartigen und verständigen Gemeinschaften, die je die Welt beherrscht und Tausende von Gelehrten, Philosophen und Denker hervorgebracht haben, eine Quelle des Lichts. In diesem Sinne ist keine andere Herrschaft seiner Herrschaft ebenbürtig.

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Seit dem Tage seiner Enthüllung war der Koran zahlreichen Verleumdungen und Verdächtigungen ausgesetzt. All dies jedoch hat er schadlos überstanden; nach wie vor strahlt sein Triumph in alle Richtungen.

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Der Koran kristallisiert sich in den Herzen, erleuchtet den Geist und präsentiert Wahrheiten in ihrer ganzen Größe. Nur gläubige Menschen, die die Schönheit des Universums in jeder einzelnen Blume wahrnehmen und Regengüsse in jedem einzelnen Regentropfen entdecken, können das wahre Wesen des Koran verstehen.

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Der Koran ist in einem Stil verfasst, der bedingt, dass Arabisch sprechende Menschen, aber auch ausländische Linguisten und Literaten, die sich seinen Versen widmen, vor ihm verbeugen. Diejenigen, die seine Wahrheiten entdecken und seinen Inhalt verstehen, verneigen sich vor diesem Meisterstück der Sprachgewalt.

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Nur wenn die Muslime den Koran bestätigen und an ihn glauben, können sie Einheit erzielen. Gelingt ihnen dies nicht, können sie weder echte Muslime sein noch eine dauerhafte Einheit bilden.

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Zu sagen „Der Glaube ist eine Sache des Bewusstseins, bedeutet: „Ich bestätige Gott, Seinen Propheten und den Koran mit meiner Zunge und meinem Bewusstsein. Jeder Akt der Anbetung, der in einem solchen Verständnis ausgeführt wird, manifestiert diese Bestätigung.

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Zu einer Zeit, in der die Menschheit in der Erbarmungslosigkeit der Unwissenheit und des Unglaubens umher tappte, sprudelte der Koran in einer Flut der Erleuchtung hervor, die die Welt in ihr Licht hüllte. Der Koran setzte eine Revolution in Gang, die ganz und gar unübertroffen ist. Die Geschichte kann dies bezeugen!

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So wie der Koran auf ausgewogenste Art und Weise Bedeutung und Wesen der Menschheit artikuliert, bringt er auch Wahrheit, Weisheit, Essenz, Eigenschaften und Namen Gottes zum Ausdruck. Kein anderes Buch kann ihm in dieser Hinsicht Paroli bieten. Man schaue sich nur die Weisheit der rechtschaffenen frommen Menschen und die Philosophien der wahren Philosophen an, und man wird verstehen!

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Der Koran ist ein einzigartiges Buch, das zu wahrer Gerechtigkeit und Freiheit, und zu einem ausgewogenen Verhältnis von Gleichheit, Frömmigkeit, Ehrenhaftigkeit, Tugend und Mitgefühl für die ganze Schöpfung aufruft. Er ist ein unvergleichliches Werk, das Unterdrückung, Vielgötterei, Ungerechtigkeit, Unwissenheit, Korruption, Zinszahlungen, Lügen und falsche Aussagen vor Gericht nachdrücklich verurteilt.

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Der Koran ist das einzige Buch, das die Waisen, die Armen und die Unschuldigen schützt und gleichzeitig den König und den Sklaven, den Befehlshaber und den einfachen Soldaten oder den Kläger und den Beklagten auf einem Stuhl Platz nehmen lässt und über sie richtet.

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Zu behaupten, der Koran sei ein Quell des Aberglaubens, heißt nichts anderes, als die vor 1.400 Jahren von unaufgeklärten Arabern geäußerten Vorbehalte zu wiederholen. Eine solche Sichtweise widerspricht jedoch jeder Weisheit und der wahren Philosophie.

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Ach könnten jene, die den Koran und die Errungenschaften, die er gebracht hat, kritisieren, doch etwas Ähnliches hervorbringen, das den Menschen auch nur für kurze Zeit Ordnung, Harmonie, Frieden und Sicherheit garantiert... Es fällt wirklich schwer, ihre merkwürdige starrsinnige Kritik nachzuvollziehen, wenn man sich die bedauernswerten und unausgegorenen Zivilisationen anschaut, welche auf Prinzipien ruhen, die dem Koran fremd sind, oder die beunruhigten, verstörten und wehklagenden Herzen der Menschen, denen das Licht des Koran nicht zugänglich ist.

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Die angemessenste Lebensweise für die Menschheit ist jene, die der Koran befürwortet. Einige der schönsten Dinge, die heute überall auf der Welt empfohlen und gutgeheißen werden, sind genau jene, die der Koran bereits vor Jahrhunderten angepriesen hat. Wer trägt also die Schuld dafür, dass sich die Muslime heute in einer so beklagenswerten Situation befinden?

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Diejenigen Menschen, die den Koran kritisieren, als sei dies ihr Beruf, kennen den Inhalt dieses Buches im Allgemeinen - wenn überhaupt - dann nur oberflächlich. Ironischerweise macht es ihnen nichts aus, ihre Meinung zu verbreiten, ohne den Koran analysiert oder auch nur gelesen zu haben. Zwischen ihrer Haltung und der Hartnäckigkeit, die einige Ignoranten der Wissenschaft entgegenbringen, besteht kaum ein Unterschied. Anscheinend müssen wir auch weiterhin darauf warten, dass den Menschen die Wahrheit bewusst wird.

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Wer dem Propheten Muhammad und dem Koran vertraut, vertraut auf Gott. Wer hingegen nicht an den Koran glaubt, glaubt auch nicht an den Propheten Muhammad, und wer nicht an den Propheten Muhammad glaubt, glaubt auch nicht an Gott. Dies sind die wahren Dimensionen des Lebens als Muslim.

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Der Koran ermöglicht den Menschen, die höchste Stufe zu erklimmen, die Stufe, auf der Gott Sich ihnen direkt zuwendet. Diejenigen, die sich der Tatsache bewusst sind, dass sie sich in dieser Position befinden, hören, wie Gott durch den Koran zu ihnen spricht. Wenn sie beeiden müssten, dass Gott Sich tatsächlich mit ihnen unterhält, würden sie keinen Meineid leisten.

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Auch wenn wir uns noch in dieser Welt befinden - wenn wir die erleuchtende Sphäre des Koran betreten, fühlen wir, dass wir das Grab und die Zwischenwelt (die Welt zwischen dieser Welt und der nächsten) passieren, den Tag des Jüngsten Gerichts erleben, die Brücke Sirat überqueren, angesichts der Schrecken der Hölle erschauern und auf den friedlichen Ebenen der Himmel spazieren.

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Diejenigen, die die Muslime davon abgehalten haben, den Koran zu verstehen und ihn in all seiner Tiefe wahrzunehmen, haben sie des Geistes und der Essenz des Islam beraubt.

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In der nahen Zukunft und unter den lobenden und staunenden Blicken der Menschen werden sich die Ströme von Wissenschaft, Technik und Kunst, die auf den Ozean des Koran zufließen, mit ihrer ursprünglichen Quelle wieder vereinen. Gleichzeitig werden sich auch Gelehrte, Forscher und Künstler in dem gleichen Ozean wieder finden.

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Es sollte uns nicht schwer fallen, uns die Zukunft als das Zeitalter des Koran vorzustellen. Denn der Koran enthält das Wort des Einen, der in jedem einzelnen Moment Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich sieht.

Mit freundlichen Grüßen,

Nureddin Öztas